Im Elbtal der Ahnungslosen: In Hamburg passt digitale Gewalt nicht ins statistische Schema!

Stephan Jersch
Medien- und Netzpolitik

Das Thema Digitale Gewalt geht der Senat, um es höflich auszudrücken, mit gebremsten Enthusiasmus an. Ein Kommentar zur Senatsantwort.

Auf meine Schriftliche Kleine Anfrage "Wie steht es um die digitale Gewalt in Hamburg?" (Drs. 21/18004) hat der Senat eher formal reagiert als wirklich geantwortet und sich ausschließlich auf die polizeiliche Kriminalstatistik bezogen. Welche und wieviele Verfahren von der Staatsanwaltschaft bearbeitet wurden, wurde einfach unter den Tisch fallen gelassen. Insbesondere fällt auf, dass die verschiedenen Aspekte der digitalen Gewalt von Polizei und Landeskriminalamt gar nicht unterschieden werden können, weil die Statistik das nicht vorsieht.

Wer, wie der derzeitige Senat, eine Stadt digitalisieren will, immer mehr Prozesse des täglichen, öffentlichen Lebens auf das Internet überträgt und dabei aber die Augen verschließt vor den zunehmenden Straftaten, die übers Internet begangen werden, der hat 'Digitalisierung' mit all ihren Facetten nicht verstanden. Wenn Handeln digital wird, zieht auch der Mißbrauch nach. Ohne die genaue Situation z. B. bei Cyber-Grooming (sexuelle Belästigung von Kindern und Jugendlichen im Internet) oder Cybermobbing/Bullying (systematisches Schikanieren und Quälen z. B. in Chats) zu kennen, gibt sich die Strafverfolgung in Hamburg hilflos.

"Die moderne und schnelllebige digitale Welt erfordert ständige Anpassungen..." stellt der Senat auf meine Frage nach der Notwendigkeit gesetzlicher Anpassungen lapidar fest. Angesichts des Nichtwissens um die genaue Situation der digitalen Gewalt in unserem Bundesland erscheint diese banale Aussage lediglich als Hilfsbehauptung. Ob der Senat weiß, dass er die Strafverfolgung landesrechtlich ausgestalten und Cyber-Kriminelle verschärft verfolgen kann?

Auch das Fort- und Ausbildungsangebot der Justiz zum Thema 'Digitale Gewalt' nimmt das kriminelle Potential offenbar auf die leichte Schulter. Für die Ausbildung zum mittleren Dienst steht genau ein Tag für 'Vermögensdelikte' und 'Cybergewalt' zur Verfügung. Immerhin wird mit dem Thema im Studiengang zum gehobenen Dienst etwas mehr Zeit verbracht, doch auch hier hat es immer noch nur den Stellenwert eines 'Beispielfalls'.

Digitale Gewalt zerstört Leben. Besonders Jugendliche und Frauen fallen ihr zum Opfer. Hamburgs Polizei und Justiz haben hier einen deutlichen Nachholbedarf, der keinen Aufschub mehr verträgt.