SKA: Positionen des Senats zur Rolle Hamburger Medienunternehmen und der Bauer-Medien im Nationalsozialismus

Stephan Jersch

Zu den Verstrickungen des früheren Bauer-Verlages mit dem Nationalsozialismus

31. Januar 2020

Schriftliche Kleine Anfrage

der Abgeordneten Stephan Jersch und Norbert Hackbusch (DIE LINKE) vom 23.01.20

und Antwort des Senats

- Drucksache 21/19837 -


Betr.:     Positionen des Senats zur Rolle Hamburger Medienunternehmen und der Bauer-Medien im Nationalsozialismus

Es ist bekannt geworden, dass das Vorläuferunternehmen der Bauer Media Group, ein Medien­unternehmen mit Sitz in Hamburg, auch in der Zeit von 1933 bis 1941 unter­nehmerisch sehr aktiv war. So hat sich die Heinrich Bauer OHG, deren Geschäftsführer Alfred Bauer gewesen war, laut diversen Veröffentlichungen durch die sog. Arisierungen jüdischer Unternehmen und jüdischen Eigentums bereichert. Alfred Bauer hatte im Namen des Unternehmens das Kaufhaus Hoheluft (KaHo) sowie mehrere Häuser gekauft, unter anderem in der Hoheluftchaussee und in der Löwenstraße. Nach Ende des Hitlerfaschismus wollte das Unternehmen den jüdischen Eigentümern die Häuser nicht zurückerstatten.

Bekannt wurde zudem die publizistische Rolle der damaligen Bauer -Programmzeitschrift "Funk Wacht"". Unter anderem wurde der abgesetzte Altonaer Bürgermeister Max Brauer diffamiert, aber auch andere Politiker der verbotenen Sozialdemokratie. Den Medien­berichten zu Folge wurden ihnen gute Arbeitserfahrungen in den Konzentrationslagern ge­wünscht. Ebenso verherrlichte die Zeitschrift das sog. Ariertum, betrieb einen Hitlerkult und verbreitete die Militär-Ideologie der Nazis als Teil der Kriegsvorbereitung.

Bis heute allerdings betont der Senat durch seinen Kultursenator, Kuratoriumsmitglied im „Haus der Pressefreiheit“, die besondere Rolle von Alfred Bauer für die Pressefreiheit. Ihm wird dort eine eigene Seite gewidmet:
https://www.hausderpressefreiheit.de/Home/HOF/Verleger-und-Intendanten/Bauer-Alfred.html

Wir fragen den Senat:

Zur Bedeutung des Erinnerns siehe Drs. 19/4555 und 20/7833 sowie 21/19843. Es sind ganz wesentlich auch wissenschaftliche Projekte und Forschungsvorhaben, die zur Auf­arbeitung der NS-Verbrechen in der Stadt beitragen.

Zu nennen ist hier vor allem die Forschungsstelle für Zeitge­schichte an der Universität Hamburg (FZH), die z.B. zurzeit ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördertes Promotionsprojekt bearbeitet, in dem es um den Umgang mit dem privaten Vermögen von NS-Belasteten nach 1945 geht (siehe dazu: http://www.zeitgeschichte-hamburg.de/contao/index.php/erdelmann.html).

Von 2005 bis 2008 gab es außerdem ein von der DFG gefördertes Forschungsprojekt an der FZH, in dem Karl Christian Führer die „Medienmetropole Hamburg“ untersucht hat. Seine Ergebnisse sind in Band Nr. 20 der ZFH-Reihe „Forum Zeitgeschichte“ publiziert (Karl Christian Führer: Medienmetropole Hamburg. Mediale Öffentlichkeiten 1930-1960, Hamburg 2008). In diesem Buch geht es u.a. auch um den Aufstieg des Heinrich-Bauer Verlages im Nationalsozialismus, etwa durch die Übernahme der Anteile seines Konkurrenten im Jahr 1933.

Überdies hat die FZH in den letzten Jahrzehnten einige Bücher zur NS-Geschichte Hamburgs her­aus­­gegeben, in denen auch auf die wirtschaftlichen Aspekte der Verfolgungsmaßnahmen hinge­wiesen wurde, etwa Frank Bajohrs Studie zu Arisierungen (Frank Bajohr: „Arisierung“ in Hamburg. Die Ver­drängung der jüdischen Unternehmer 1933-1945, Hamburg, Christians Verlag, 1997), zu Blohm & Voss (Andreas Meyhoff: Blohm & Voss im „Dritten Reich“. Eine Hamburger Großwerft zwischen Geschäft und Politik, Hamburg, Christians Verlag, 2001), zur Wohlfahrtspolitik (Uwe Lohalm: Völkische Wohl­fahrts­diktatur. Öffentliche Wohlfahrtspolitik im nationalsozialistischen Hamburg, München/ Ham­burg, Dölling und Galitz, 2010) sowie zur Hochbahn und zu den Wasserwerken (Christoph Strupp: Nahverkehr und Nationalsozialismus. Die Hamburger Hochbahn AG im „Dritten Reich“, München / Hamburg, Dölling und Galitz, 2010), (David Templin: Wasser für die Volksgemeinschaft. Wasserwerke und Stadtentwässerung in Hamburg im „Dritten Reich“ München / Hamburg, Dölling und Galitz, 2015) und schließlich auch zum Umgang mit dem Vermögen der NSDAP nach 1945 (Marc-Simon Lengowski: Herrenlos und heiß begehrt. Der Umgang mit dem Vermögen der NSDAP und des Deutschen Reiches in Hamburg nach 1945. München / Hamburg, Dölling und Galitz, 2017). Eine Gesamtübersicht zu Hamburg im „Dritten Reich“ liegt ebenfalls vor (Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (Hg.): Hamburg im „Dritten Reich“, Göttingen, Wallstein-Verlag, 2005).

Mit der von der für Kultur und Medien zuständigen Behörde unterstützten Studie „Wissenschaftliche Untersuchung zur NS-Belastung von Straßennamen“ des Historikers Dr. David Templin liegt nunmehr eine Typologie vor, mit deren Hilfe Einzelfälle verglichen und be­wertet werden können. Auf dieser Grundlage wird eine Fachkommission, die sich derzeit konstituiert, 58 NS-belastete Straßennamen im Hinblick auf eine Umbenennung überprüfen können (siehe Drs. 21/19615).

Die Kulturministerkonferenz hat unter dem Vorsitz des Präses der für Kultur und Medien zuständigen Behörde eine über­arbeitete Handreichung zum Umgang mit NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut vorgelegt. Ziel ist, die gesellschaftliche Aufklärung des nationalsozialistischen Kulturgutraubs, die Erforschung der Werkprovenienzen und des Schicksals der überwiegend jüdischen Opfer zu fördern.

In all diesen Zusammenhängen ist es zu begrüßen, wenn auch private Unternehmen sich mit ihrer Rolle in der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft auseinandersetzen und Verantwortung über­nehmen.
Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

1. Hat sich der Senat, bzw. haben sich die Vorgänger-Senate eine Position gebildet über die Rolle Hamburger Medienunternehmen in der Nazi-Zeit?
a. Wenn Ja: In welcher Form?
Wenn Nein:
b. Warum nicht?
c. Wo läge dafür die Zuständigkeit im Senat?

2. Seit wann hat der Senat Kenntnis über die unternehmerischen Aktivitäten der Familie Bauer in den Jahren 1933 bis 1945?

3. Hat es mit der heutigen Unternehmensleitung der Bauer Media Group, bzw. der Familie Bauer, über die jüngsten Medienveröffentlichung zur Geschichte des Unternehmens eine Kontaktaufnahme gegeben oder ist beabsichtigt, in Kontakt zu treten?

a. Wenn Ja: In welcher Form?
Wenn Nein:
b. Warum nicht?
c. Wo läge dafür die Zuständigkeit im Senat?

4. Welche Maßnahmen plant der Senat aufgrund der neuen Erkenntnisse über die Beteiligung der Verlegerfamilie Bauer sowohl an der Nazi-Propaganda wie auch an der Vertreibung jüdischer Bürgerinnen und Bürger, um die Geschichtsschreibung zu korrigieren, bzw. zu vervollständigen?

5. Was unternimmt der Senat angesichts der jüngsten Publikationen, dass die Web-Seite über Alfred Bauer www.hausderpressefreiheit.de/Home/HOF/Verleger-und-Intendanten/Bauer-Alfred.html im Kuratorium zur Debatte gestellt wird?

Siehe Vorbemerkung. Die zuständigen Behörden haben seit 2020 Kenntnis von den Bestrebungen der Bauer Media Group, diesen Teil ihrer Unternehmensgeschichte extern erforschen zu lassen. Die Aufarbeitung der Ergeb­nisse obliegt den jeweiligen Unternehmen. Soweit sich daraus Handlungs­not­wendigkeiten für die öffentliche Hand ergeben, werden die zuständigen Behörden dies übernehmen.

Die Internetseite www.hausderpressefreiheit.de wird von den ehrenamtlichen Mitgliedern des Vereins „Haus der Pressefreiheit e.V.“ in Hamburg betrieben. Es handelt sich nicht um eine Internetseite des Senats. Der Senator der Behörde für Kultur und Medien ist eines von derzeit acht Mitgliedern im Kuratorium des Vereins, das aus Persönlichkeiten aus Verlagen, Medienunternehmen, Wirtschaft, Politik, Kultur und Wissenschaft besteht. Der genannte Eintrag über Alfred Bauer wurde nach Auskunft des Vereins aufgrund der aktuellen Diskussion über die Rolle von Alfred Bauer während des Nationalsozialismus von der Internetseite des Vereins entfernt.
Im Übrigen hat sich der Senat mit der Heinrich Bauer OHG nicht befasst.