Debatte "Raus aus der Kohle - rein in die Wärmewende und Wasserstoff.

In der 8. Sitzung der laufenden 22. Legislatur der Hamburgischen Bürgerschaft am 10. Februar 2021 hatte die SPD-Fraktion das Thema "Raus aus der Kohle, rein in Wärmewende und Wasserstoff: Heute in Moorburg und Tiefstack anpacken für ein nachhaltiges, innovatives und soziales Hamburg" zur Debatte in der Aktuellen Stunden angemeldet. Stephan Jersch von der Fraktion DIE LINKE kritisierte in zwei Beiträgen, die Senatspolitik massiv. Hier die Redebeiträge im Wortlaut und mit den Links zu den Videos in der Mediathek der Bürgerschaft.

  • Die gesamte Debatte zur Aktuellen Stunde unter dem Titel "Raus aus der Kohle, rein in Wärmewende und Wasserstoff: Heute in Moorburg und Tiefstack anpacken für ein nachhaltiges, innovatives und soziales Hamburg" ist hier als VIDEO in der Mediathek der Bürgerschaft online. Die beiden Redebeiträge von Stephan Jersch in dieser Debatte sind als Video hier und hier online. Zum Youtube-Channel der Linksfraktion in der Bürgerschaft geht es hier längs.

Stephan Jersch DIE LINKE:
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist ein spannendes, es ist ein gutes und es ist ein wichtiges Thema. Umso überraschender ist es, dass dieser Bereich jetzt ausgerechnet von der SPD angemeldet worden ist für die Aktuelle Stun­de, und deswegen werfe auch ich ein paar Blicke auf das Ist und auf das, was war. Denn die SPD, deren ehemaliger Bürgermeister Scholz noch lä­chelnd den Startknopf für das Kraftwerk Moorburg gedrückt hat, drei Wochen bevor das Pariser Klima­ abkommen verabschiedet worden ist, jetzt mit ihrer Position zum Kohleausstieg zu hören, das ist schon etwas merkwürdig. Ich möchte es glauben, und dennoch ist das Ist der Politik in Hamburg nicht da­ nach.

Heute ist die Stadt die einzige Kohlesünderin, die wir auf dem Gebiet Hamburgs haben. In Wedel und in Tiefstack verheizt Hamburg weiterhin Kohle und weigert sich, die Einsatzreihenfolge der Wärmeer­zeugung zu ändern, um den Kohleeinsatz weiter und signifikant zu reduzieren. "Raus aus der Kohle" hat einen schalen Beigeschmack aus dem Mund der SPD, denn "Raus aus der Kohle" mit dem GuD Dradenau heißt, dass der Teufel mit dem Beelze­bub Erdgas ausgetrieben wird. Sie haben mit Ihrer Politik gegen das Votum der zivilgesellschaftlichen Organisationen, gegen das Votum der Bürgerinnen und Bürger den Kohleausstieg in Hamburg vertrö­delt, und zwar mutwillig vertrödelt. Kollege Gamm hat auf diverse Abschalttermine für Wedel schon hingewiesen.

(Beifall)
Zum Kohleausstieg bis 2025 gibt es keine klimapo­litische Alternative. 2030 geht nicht.

(Beifall)
Und rein in die Wärmewende - eine wirklich gute Idee -, das können Sie auch wirklich erst, seitdem der Volksentscheid "Unser Hamburg - Unser Netz" gewonnen wurde, nachdem die SPD, vor allem die SPD, die HEW bereits verkauft hatte und sie eine der härtesten Gegnerinnen dieses Volksentscheids war. Sie wurden zu Ihrem Glück gezwungen, dass Sie heute hier sagen können, Sie wollten eine Wär­mewende in der Stadt haben.

(Beifall)
Selbst der Vorbildcharakter der öffentlichen Hand ist irgendwie verloren gegangen. Die Sanierungs­quote der Gebäude, selbst der öffentlichen Gebäu­de, ist schlicht und ergreifend erbärmlich, und es ist nicht abzusehen, wie der notwendige Stand erreicht werden kann. Genau das Gleiche mit Greenwa­shing für Wärme aus der Müllverbrennung. Es ist faszinierend, wie Sie in Ihren Berechnungen eine ökologische Wohltat daraus machen. Das geht vorn und hinten nicht, das ist eine unehrliche Bilanz.

(Beifall)
Deswegen kann ich festhalten, dass die Wärme­ wende im Moment noch ein Papiertiger ist. Sie ist über die  Absichtserklärungen noch gar nicht hi­nausgekommen. Der verpflichtende Anschluss von Neubaugebieten an das Wärmenetz, der signifikan­te Ausbau der Solarthermie, die Nutzung der Geo­thermie oder eine wirklich wirksame-Gebäudesanierungsquote - alles irgendwie nur angefangen, aber nicht wirklich zu Ende gebracht. Dass Sie heute tat­ sächlich von der Wärmewende reden können, das verdanken Sie den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt, die den Volksentscheid durchgesetzt haben.

(Beifall)
Deswegen fordere ich Sie auch noch einmal auf: Beteiligen Sie die Bürgerinnen und Bürger an dieser Wende in der Energiepolitik in dieser Stadt. Auch das fehlt im sogenannten Tschentscher-Plan; ich würde mir einen anderen Namen ausdenken.

(Beifall)
Und zum "Rein in den Wasserstoff": Es ist sicher­ lich alle Male besser als die klimapolitisch geschei­terte LNG-Strategie dieses Senates, und wenn Sie es richtig machen, dann hat das auch Potenzial und Sie haben unsere Unterstützung. Aber warum müs­sen Sie sich als Partner ausgerechnet Firmen wie Shell und Vattenfall ins Boot holen? Wie oft muss man denn noch reinfallen, bis es zu einer Schei­dung kommt? Es ist unbegreiflich.

(Beifall)
Der Bedarf für den Wasserstoff ist riesig, ja. Es wird viel, viel mehr abgefordert, als wir selbst produzie­ren können. Es sind gigantische Importmengen zu leisten, und zwar zertifizierte und grüne Importmen­gen. Die Klimabilanz dafür müsste auch noch ein­ mal erstellt werden. Es kann nicht 1:1 gehen, das hat der Kollege Müller auch schon gesagt. Wir brauchen eine Einsatzpriorisierung für den Wasser­ stoff. Deswegen heißt es, wir müssen rein ins Ener­giesparen, wir müssen die  Energieverbräuche redu­zieren. Dann können wir eine mögliche Wärmewen­de eventuell erfolgreich machen. Partizipation ist das A und O, der Energienetzbeirat muss wieder ran, wir brauchen Bürgerforen in den Bezirken, in der Stadt. Dann kann es ein Erfolgsmodell wer­den. - Danke.

Zweiter Beitrag in der Debatte:

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch wenn ich nach der ersten Runde noch sehr zuver­sichtlich war, dass es vielleicht ein Umdenken in diesem Senat und damit eine Chance für die Ener­giewende gegeben hätte, macht mich jetzt die Stel­lungnahme des Herrn Senators doch sehr skep­tisch. Denn zu einem erfolgreichen Projekt gehört auch Selbstkritik: Was hat man falsch gemacht, Lessons Learned, wo kann ich lernen?

(Beifall)
Das vermisse ich gänzlich an dieser Stelle. Ich bin fasziniert, Hamburg als Energiewendehauptstadt zu bezeichnen. Schön wär's, aber im Moment ist es das nur nach Papierlage, genauso wie Oberbillwer- der ein Energiequartier nach Papierlage ist. Das ist zu wenig, um sich wirklich diesen Titel anzuheften. Denn wir alle wissen, was aus der Umwelthaupt­stadt Hamburg geworden ist: nicht viel, der Sprung war kurz.

(Beifall)
Und wenn es um die Pläne für den Wedel-Ersatz geht: Ende 2015 war klar, dass es einen Plan B gibt, kein GuD in Wedel. Jetzt müssen wir gucken.

Wir gehen im Moment von 2025 als Ersatz aus, das heißt, wir sind da bei zehn Jahren. Ich meine, das ist doch schon fast so lange, wie die Elbvertiefung von Anfang an gebraucht hat. Und während hier weiter gezögert und gezaudert wird und man nicht in die Puschen kommt, rieseln Ätzpartikel auf die Anwohnerinnen und Anwohner aus diesem Uralt­kraftwerk in Wedel. Das als Kohleausstieg zu be­zeichnen, das ist schändlich.

(Beifall)
Da, denke ich mir, braucht es eine deutliche Selbst­ kritik des Senats, damit man die Pläne jetzt auch wirklich ernst nehmen kann.

(Glocke)

Zwischenfrage des Abgeordneten Müller

Stephan Jersch DIE LINKE (fortfahrend):

Kollege Müller, Sie wollen mir also sagen, dass die­ser Senat, dass diese Regierungskoalition seit 2015 alle Termine ohne Grundlage herausposaunt hat, weil die Grundlage dafür nicht gegeben war?  Entschuldigen Sie - und da kommen wir wieder zum Selbstkritikthema - ein bisschen mehr Ehrlich­keit täte Ihnen gut, wenn man dann 2015 sagt, man habe keine Handlungsoption, man könne nichts machen, und man könne überhaupt nicht sagen, wann der Ersatz kommen werde. Das vermisse ich an diesem Senat.

(Beifall)
Und was den Wasserstoff angeht, da sage ich, sehr gut, hat Potenzial, wenn er grün ist und nicht gelb oder grau, aber ich denke schon, dass man auch dafür einen Plan braucht. Das eine oder andere ist gesagt worden. Ich habe freudig gehört, dass es nicht für jeden Zweck als 1:1-Ersatz taugen soll.

Wir werden den Senat, wir werden die Regierungs­koalition da genau im Auge behalten. Aber dreist ist wirklich, das Beteiligungsgremium Tiefstack jetzt als Beteiligung der Zivilgesellschaft anzuführen, ein nicht öffentlich tagendes Gremium hier als Ersatz zum Beispiel für einen Energienetz­ beirat, der sicher kompliziert war, der viele Nerven gekostet hat, aber der viele, viele zivilgesellschaftli­che Kräfte in dieser Stadt von der Handelskammer bis zu den Bürgerinitiativen zusammengeführt hat.

Das ist ein Anspruch, den wir an Beteiligung haben sollten. Deswegen sollten wir auch über weiterge­hende Beteiligung wie Bürgerforen nachdenken. - Danke.

(Beifall)