Debatte: Schluss mit dem Märchen vom Heizungsverbot:
Debatte um die dringend notwende Wärmewende, damit uns die Folgen der Klimakatastrophe nicht überrollen. Doch statt konstruktiv nach Lösungen zu suchen, wird von der CDU, der FDP und der AfD Panik gemacht. 90 Minuten disktutierte die Bürgerschaft am 24. Mai in der AKTUELLE STUNDE daher: "Schluss mit dem Märchen vom Heizungsverbot: Wie wir sozial gerecht und bezahlbar die Wärmewende für alle gestalten können" Stephan Jersch ging mit zwei Beiträgen in der Debatte für die Linksfraktion ans Pult.
- Die gesamte Debatte zu dem Tagesordnungspunkt ist hier in der Mediathek der Bürgerschaft als Video online. Die Redebeiträge von Stephan Jersch sind hier und hier als Video. Es gilt das gesprochene Wort.
Aktuelle Stunde: Schluss mit dem Märchen vom Heizungsverbot: - Wie wir sozial gerecht und bezahlbar die Wärmewende für alle gestalten können
Die erste Rede von Stephan Jersch DIE LINKE:
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir re-
den heute über ein echtes Kommunikationsdesas-
ter, ein annähernd politisches Totalversagen
(Dirk Nockemann AfD: Inkompetenz und Vet-
ternwirtschaft!)
und letztlich mutwillig hervorgerufene Existenz-
ängste. Demzufolge ist die Anmeldung schon fast
übermütig von den GRÜNEN.
Aber lassen Sie uns über das Gebäudeenergiege-
setz sprechen, über das gerade in Berlin fossile
Dinosaurier herfallen, um es zu entbeinen. Eigent-
lich brauchen wir viel früher als 2045 eine Klima-
neutralität – und das hakt schon in Hamburg. Wir
brauchen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe –
auch davon ist nicht viel zu merken. Letztlich muss
der Gebäudesektor, der hinterherhängt, natürlich
seinen Beitrag zur Klimapolitik beisteuern. Da ist
er ein zentraler Part. Wenn ich die Studie zur Er-
reichung der Klimaschutzziele bei Wohngebäuden
in Hamburg sehe, dann ist das kein sozial ausge-
wogener Part, der in Hamburg angesteuert wird.
Eigentlich brauchen wir ein Gebäudeenergiegesetz,
das motiviert, das sozial gerecht ist, das eine Kol-
lektivaufgabe begründet und das den Staat nicht
als Kerkermeister, sondern als Ermöglicher defi-
niert.
(Beifall bei der LINKEN)
Und wir brauchen nicht diese anscheinend jetzt in
eine Serienfassung übergehende Horrorshow, die
sich da in Berlin mit dem Gebäudeenergiegesetz
abspielt. Nein, stattdessen haben Hausbesitzer:in-
nen, Wohnungsbesitzer:innen mittlerweile das P in
den Augen; sie kriegen Angst um ihre Existenz.
Deren Heim ist tatsächlich eine Altersvorsorge, und
die ist gefährdet, mit all den Unsicherheiten, die
jetzt im Raume stehen. Nichts ist bisher wirklich
konkret und sicher ausdefiniert worden. Sie bekom-
men keine Kredite mehr von der Bank. Auch die
gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften – ei-
gentlich ein Rückgrat der Wohnungspolitik, nicht
profitorientierte Wohnungsgesellschaften – wissen
nicht, wie sie damit umgehen sollen, weil alles in
der Schwebe ist. Dazu kann man wirklich nur sa-
gen: Augenscheinlich ist hier der Weg das Ziel,
alles andere ist dann egal. Aber so läuft das mit
sozialer Gerechtigkeit nicht, und so läuft es auch
mit der Energiewende nicht.
(Beifall bei der LINKEN)
Spätestens jetzt muss doch wirklich klar sein, dass
wir für ein gelungenes Gebäudeenergiegesetz, für
das Erreichen der Klimaziele einen üppig ausge-
stalteten Härtefallfonds brauchen, dass wir eine ge-
zielte Förderung je nach finanzieller Situation der
Menschen und der Vermietenden brauchen und
dass wir natürlich die Modernisierungsumlage ab-
schaffen müssen. Ohne diese Maßnahmen wird es
gar nicht gehen. Denn wir brauchen eine warmmie-
tenneutrale Modernisierung, damit den Menschen
auch die Angst um die bezahlbaren Wohnungen
genommen wird.
(Beifall bei der LINKEN)
Gerade hier, auch in der Wohnungsbaupolitik, ist es
wichtig, dass die gemeinnützigen, nicht gewinnori-
entierten Wohnungsgesellschaften eine besondere
Förderung erfahren. Das macht einen Unterschied,
wie ich Wohnungspolitik betreibe. Die Entmachtung
des Profits beim Grundrecht auf Wohnen, auf be-
heiztes Wohnen ist ein ganz wichtiger Punkt. Und
anstatt dass die Fördermittel in die Boni und die Di-
videnden der Aktionäre der gewinnorientierten Un-
ternehmen wandern, sollte hier klar ein Trennstrich
gezogen werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Jetzt darüber zu reden und darauf zu hoffen, dass
die Bundesregierung in Berlin es rumreißt, ist ange-
sichts der Diskussion völlig naiv. Die gelbstichigen
Klimaboykotteure in Berlin, die Durchstecherinnen
und Durchstecher, die ein – ich hoffe – zu dem Zeit-
punkt noch halb fertiges Gesetz durchgestochen
und gerade damit die Ängste ausgelöst haben, ha-
ben nur kontraproduktive Interessen: Sie bedienen
die Interessen der alten Fossilwirtschaft. Auch dem
muss ein Riegel vorgeschoben werden.
(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei
den GRÜNEN)
Spätestens jetzt ist aber klar: Das, was in Ham-
burg fehlt, was anscheinend erarbeitet wird, ist die
kommunale Wärmeplanung, die wir dringend brau-
chen, die wir schon längst gebraucht hätten, um
auch für Hamburg einen Punkt zu setzen und nicht
die Situation zu haben, dass Fernwärmeanschlüsse
zum Beispiel von Privatkundinnen und -kunden ab-
gelehnt werden, weil die Ressourcen fehlen und die
Gewinnerwartung zu gering ist.
An der sozialen Schieflage dieses Gesetzentwurfs
– so, wie man ihn denn kennt, und so, wie er be-
stimmt nicht am Ende rauskommen wird – muss
noch eine Menge gemacht werden, damit wir den
Menschen die Ängste nehmen können und die Kli-
mawende schaffen. – Danke.
(Beifall bei der LINKEN)
Zweite Rede in der Debatte von Stephan Jersch DIE LINKE:
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die
Frage ist doch, ob das Gebäudeenergiegesetz die
Sorgen der Menschen wirklich ernst nimmt.
(Milan Pein SPD: Ein Gesetz kann doch nicht
Sorgen der Menschen ernst nehmen!)
Darüber kann man letztlich streiten. Worüber man
aber nicht streiten kann, ist, dass es neue existenzi-
elle Sorgen bei den Menschen begründet hat. Da
gilt es, Antworten darauf zu finden, und da gebe ich
dem Kollegen Gamm durchaus recht: Die müssen
mehr sein als ein Konjunktiv.
(Beifall bei der LINKEN und der CDU)
Senator Kerstan hat erklärt, das Gesetz sei ausge-
wogen, zielführend und sozial gerecht. Es mag im
Sinne des Senators durchaus wichtig sein, dass es
sozial gerecht ist, aber es spiegelt sich in diesem
Gesetz, soweit es denn bekannt ist, nicht wider.
Da kann man direkt auf das Hamburger Beispiel
ableiten: Der Ergebnisbericht der "Machbarkeits-
studie zur Erreichung der Klimaschutzziele im Be-
reich der Wohngebäude in Hamburg" – langer Ti-
tel – spricht eine andere Sprache. Die Sanierung
bei E70-Standard bedeutet eine Warmmietenstei-
gerung bei der Anwendung von Fernwärme von
7 bis 9 Prozent bei den Menschen, und bei den
Wärmepumpen sind es dann 10,3 bis 11 Prozent.
Das ist weit weg von sozial gerecht, und es ist weit
weg von warmmietenneutral. Da gilt es dann auch,
zu handeln. Gerade die Erhöhung der Förderung,
die hier angesprochen worden ist, ist letztlich – so,
wie es sich anhört, so, wie sie in Aussicht steht –
eine ungesteuerte Förderung. Und die droht – ich
habe das eben schon gesagt –, bei den großen
Wohnungsbaukonzernen in Boni und Dividenden
zu landen. Das ist eine völlig unsoziale Ausrichtung
dieses Gesetzes.
Vielleicht noch eine Anmerkung zum Fetisch der
FDP: die Technologieoffenheit. Diese Technologie-
offenheit droht in meinen Augen zum Killer der
deutschen Wirtschaft zu werden; Stranded Invest-
ments sind das Ziel der FDP, mit einer solchen un-
geregelten Politik in der Wirtschaftsförderung und in
der Klimapolitik. Das kann kein gewinnbringendes
klimagerechtes Ziel sein.
(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und
bei Sören Schumacher SPD)
Ich habe, vielleicht auch angesichts der Nachrich-
ten von heute, das Gefühl, dass Wissing und Lind-
ner – wie die ganze FDP – am Gestern kleben und
Olaf Scholz mittlerweile vergessen hat, dass er ir-
gendwann mal Führung versprochen hat. – Danke.
(Beifall bei der LINKEN)