Manches Gebäude auf einem Bauspielplatz ist besser zusammengeschustert

Manches Gebäude auf einem Bauspielplatz ist besser zusammengeschustert

Stephan Jersch

Rede zur Straßenreinigungsgebühr und zu 'Hamburg - gepflegt und grün' am 22. November 2017 in der Bürgerschaft

Stephan Jersch DIE LINKE: Herr Präsident, mei-
ne Damen und Herren! Am Ende ist alles gut, und
wenn es noch nicht gut ist, dann war es noch nicht
das Ende. So könnte man die Zusammenfassung
dieses Tollhausstückes einer Gesetzesvorlage der
Regierungskoalition eigentlich zusammenfassen.
Sie von der Regierungskoalition sind mit einem An-
liegen vor über einem Jahr ohne vernünftige Pla-
nung losgerannt, die Sie auch im Laufe dieser gan-
zen Zeit nicht haben vorlegen können, und es ist
kein Wunder, dass Sie da über Ihre eigenen Füße
gestolpert sind.

Selbst wenn ich sagen kann, dass die Maßnah-
men, die Sie in diesem Paket definieren, gut zu
sein scheinen, Sinn machen und für eine saubere
Stadt wichtig sind – beim Grün habe ich ja gewisse
Fragezeichen –, haben Sie bis heute keine ver-
nünftige Analyse vorgelegt. Sie haben in Ihrer
Drucksache eine Ausgangslage über eine Dreivier-
telspalte, mehr dazu nicht, und die ist eher Lyrik,
als dass dort Fakten genannt werden.

Sie sind doch wirklich nach den letzten Haushalts-
beratungen losgerannt und hatten die Planzahlen
für die Geldmittel im Auge, die für die Grünpflege
im nächsten Doppelhaushalt stehen. Das sind
28 Cent pro Quadratmeter. Jeder weiß, dass das
nur zur Bevorratung von weiteren Wohnungsbau-
flächen in dieser Stadt reichen würde. Und letzt-
endlich ist es ja auch genau das, wofür hier viel der
Umweltpolitik da ist, neue Flächen für den Woh-
nungsbau, für Gewerbe und Industrie herbeizuzau-
bern. Dafür ist ja letztendlich auch der Naturcent,
der Naturzerstörungscent, in diesem Senat be-
schlossen worden, mit dem eine Abgeltung dieses
Umweltfrevels halbwegs auszugleichen versucht
wird. Und ich kann Ihnen sagen, damit werden Sie
mittelfristig komplett scheitern.

Die Wehen, die uns dieser Gesetzentwurf gekostet
hat, und die letztendliche Sturzgeburt, die dabei
herausgekommen ist ... Manches Gebäude auf ei-
nem Bauspielplatz ist besser zusammengeschus-
tert als die Leistung, die Sie hier im letzten Jahr
dafür abgelegt haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Und was sehen wir? Die Arbeitskräfte bei der
Stadtreinigung sind bereits eingestellt. Wir haben
nach wie vor fehlende Ausführungen zu genauen
Bestimmungen, was denn nun wirklich gemacht
werden soll bezüglich der Örtlichkeiten, bezüglich
der anderen Behörden oder des pädagogischen
Konzepts.

(Arno Münster SPD: Sauber soll gemacht werden!)

Sie haben gefloppte Sauberkeitskonferenzen in
den Bezirken und letztendlich – aber da haben Sie
ja den Rückzieher gemacht – ein Finanzierungs-
konzept, das zum Himmel geschrien hat, auf den
Tisch gelegt. So nicht. Sie haben das Gefühl für
die Stadt verloren, Sie haben das Gefühl für die
Menschen in dieser Stadt verloren. Und das
Schröpfpaket, das Sie zuerst versucht haben, ist ja
letztendlich nichts anderes als eine Darstellung ei-
nes strukturellen Problems.

(Beifall bei der LINKEN – Kazim Abaci SPD:
Wie ist Ihre Alternative?)

Viel zu wenig Geld für die Grünpflege in dieser
Stadt, weiterer Flächenabbau von Grünflächen in
dieser Stadt, den Sie zu kaschieren versuchen. Sie
erzählen uns seit Jahren, dass in den Bezirken die
Finanzen für die Grünpflege ausreichen. Hier stel-
len Sie jetzt plötzlich, ohne die Aufgaben auszu-
weiten, mehr Geld zur Verfügung.

(Farid Müller GRÜNE: Sie haben doch er-
höht! Das stimmt doch alles nicht!)

Was bitte haben Sie uns die letzten Jahre hier ei-
gentlich für dumm verkauft?

(Beifall bei der LINKEN)

Und wenn letztendlich der Ökobettler aus ...

(Glocke)

Vizepräsident Detlef Ehlebracht (unterbrechend):
Herr Jersch, darf ich Sie kurz unterbrechen?

Stephan Jersch DIE LINKE: Ja.

Vizepräsident Detlef Ehlebracht: Gestatten Sie
eine Zwischenfrage von Herrn Müller?

Stephan Jersch DIE LINKE: Gern.

Zwischenfrage von Farid Müller GRÜNE:*

Warum sagen Sie das, wo Sie genau wissen, dass
die Mittel für das Grün in den Bezirken in diesem
Haushalt und die Rahmenzuweisung erhöht wor-
den sind? Das stimmt doch alles nicht, was Sie
hier sagen.

Stephan Jersch DIE LINKE (fortfahrend): Da hät-
ten Sie zuhören müssen. Natürlich habe ich es Ih-
nen gerade gesagt. Ich weiß, dass Sie gern ab-
schalten, aber es ist in der Tat so, dass Sie uns in
den letzten Jahren ja erzählt haben, dass die Mittel
in den Bezirken ausreichen würden. Jetzt kommen
mehr Geldmittel plötzlich auf den Tisch. Das ist
doch wirklich letztendlich eine Veräppelung dieses
Parlaments. kommt doch nicht. Das war auf jeden Fall min-
destens ungeschickt.

(Beifall bei der LINKEN – Wolfgang Rose
SPD: Sie reden sich gerade um Kopf und
Kragen!)

Das Zweite ist natürlich, dass wir eine unklare Fi-
nanzierung haben. Hier wird zwar etwas von
27 Millionen Euro gesprochen, das soll aus dem
Haushalt kommen, das ist klar, man weiß aber
nicht, wie.

Dieses Schönreden ist unfassbar. Und wenn der
Ökobettler aus Wilhelmsburg in einer Stadt, die
sich zu den Nachhaltigkeitszielen der UN bekennt,
für jeden einzelnen grünen Quadratmeter sich
selbst sein Geld zusammensuchen soll, anstatt es
als öffentliche Aufgabe, wie Sie es ja jetzt Gott sei
Dank gemacht haben, zu definieren

(Dr. Monika Schaal SPD: Das ist doch Un-
sinn, was Sie reden!)

und die entsprechenden Gelder hineinzustecken,
dann ist das wirklich erbärmlich für die Stadt.

Was hier noch nicht erwähnt worden ist, ist, dass
wir nach wie vor die Stadtreinigung Hamburg ha-
ben, die 9 Millionen Euro in die Umsetzung dieses
Konzeptes investieren soll. Nehmen Sie diese
Sparkasse für Ihren Senat aus Ihrem Konzept her-
aus. Auch dieses Geld gehört über den öffentli-
chen Haushalt finanziert. Denn diese 9 Millionen
Euro stehen nicht sicher zur Verfügung. Damit ma-
chen Sie ein Vabanquespiel auf Kosten des Grüns
und wir brauchen Grün überall in Hamburg und
nicht nur den Ausbau dieser wenigen Grünflächen,
die wir noch haben. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN – Farid Müller GRÜNE:
Sozialwohnungen wollen Sie auch immer haben!)

[Teil II]

Stephan Jersch DIE LINKE: Herr Präsident, mei-
ne Damen und Herren! Ich kann es eigentlich kurz
machen, das meiste ist bereits gesagt worden.
Herr Dressel, Ihre Koalition hat hier wirklich verlo-
ren. Es gibt trotz dieses Konzepts, das im Prinzip
richtig aufgesetzt ist ...

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

– Oha. Moment, ich muss etwas Falsches gesagt
haben.

Es gibt keinen Paradigmenwechsel in dieser Koali-
tion, das heißt zugunsten einer Umweltgerechtig-
keit, zugunsten der Nachhaltigkeitsziele. Es ist
besser als nichts, aber letztendlich ändert das an
den Ursachen und an Ihrer haushaltsgesteuerten
Umweltpolitik nichts. Wir werden ihm trotzdem zu-
stimmen. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)