Gefracktes LNG ist nicht nachhaltig, schadet dem globalen Klima

Stephan Jersch

Rede in der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg - 21. Wahlperiode - 91. Sitzung am 16. Januar 2019

 

zu den Anträgen "Notnagel LNG ohne Fracking als kurzfristige Übergangslösung für den Schiffsantrieb" und "LNG und Erdgas als Übergangstechnologien der Energiewende möglichst umweltverträglich gestalten"

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Stephan Jersch DIE LINKE: Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Im Moment erleben wir in der Tat einen kleinen Hype rund um das Liquefied Natural Gas, LNG. Hamburg kann tatsächlich von dessen Anwendung an der einen oder anderen Stelle gewinnen, insbesondere im Hafen, wenn es für den Schiffsantrieb benutzt wird. Denn das reduziert einen Großteil der Schad­stoffemissionen, die im Moment durch Schiffsantrie­be freigesetzt werden und sich insbesondere in der Innenstadt niederschlagen.

Nur, wir arbeiten hier, machen Politik unter den Be­dingungen des Klimawandels. Das heißt auch, dass wir mehrere Seiten dieser Medaille betrachten müs­sen, denn nicht alles ist so einfach, wie es hier von manchen Protagonisten dann zu Markte getragen wird.

Die Suche nach greifbaren Lösungen für Energieersatz gegenüber bisherigen schadstoffhaltigen Ener­gien führt in der Tat zu LNG. Die Frage nach ver­tretbaren Lösungen hat sich allerdings augen­scheinlich noch nicht jede und jeder gestellt. Denn LNG ist verflüssigtes Erdgas und ein Hauptbe­standteil ist Methan. Wer es genau wissen will: Me­than ist ein hochwirksames Klimagas, das zur Er­derwärmung beiträgt. Wenn man dann auch einmal in die Bilanz hineinguckt -- ich kann da nur eine Stu­de des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundesta­ges von Juni 2018 empfehlen, ich hoffe, der ist be­kannt --, dann gibt es eigentlich keinen ernst zunehmenden Energieträger, der eine schlechtere Kli­mabilanz hat als LNG, das aus Fracking generiert worden ist. Dass das nicht erwähnt wird, ist eigent­lich klar. Blauäugigkeit scheint in diesem Bereich der Schaffung eines neuen Marktes für alte Brenn­stoffe - und letztendlich ist es nichts anderes - eine Grundvoraussetzung zu sein.

Wenn wir uns die Positionen der Parteien hier in der Bürgerschaft anschauen, dann bekennen sich FDP und CDU und besonders rechts außen zur An­wendung von LNG, und zwar völlig unabhängig da­von, woher es kommt. Die Europäische Union hat über 600 Millionen Euro Unterstützung in Projekte für eine LNG-Infrastruktur in Europa investiert, nicht zuletzt sicherlich auch eine Folge des Kuhhandels mit Donald Trump, der den LNG-Absatz aus dem hauptsächlich gefrackten LNG der USA sicherstel­len will.

Wie heißt es so schön in einem Auftritt von Ham­burg Marketing? Die markanten Türme der fünf Hamburger Hauptkirchen prägen das Stadtbild. Au­genscheinlich führt das in einigen Bereichen dann auch zu Kirchturmpolitik, denn das Weltwirtschafts­forum hat in seinem Risikobericht gerade Zweifel daran geäußert, ob die Menschheit in der Lage sei, die Herausforderungen des Klimawandels wirklich anzugehen und zu bewältigen. Diese Zweifel habe ich angesichts der einen oder anderen Position auch.

Wer Nachhaltigkeit denkt - und ich denke, Hamburg denkt Nachhaltigkeit, ob Hamburg sie wirklich an der einen oder anderen Stelle praktiziert, ist eine andere Frage - , muss dieses Thema Klimaauswir­kungen von LNG ernst nehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es kann nicht angehen, dass wir die Schadstoffe in Hamburg reduzieren, aber die gesamte Prozessket­te, insbesondere am Anfang dieser Generierung, dafür sorgt, dass unser Klima - und Klima ist glo­bal, es wird uns auch hier erreichen - an einer an­deren Ecke über den Jordan geht. Das ist nicht glo­bales Denken, das ist tatsächlich Kirchturmpolitik.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn im Zusatzantrag der Regierungskoalition da­rauf verwiesen wird, dass sie Fracking ablehne, dann kann ich nur sagen: Dann muss man aber auch die Produkte aus dem Fracking ablehnen. Al­les andere ist - sorry - verlogen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dahin gehend geht dann auch unser Antrag. Wir brauchen eine Zertifizierung, die klarmacht, was be­sonders klimaschädlich ist, wenn wir unser Klima auf der Welt und unsere Ziele, die wir dazu verein­bart haben, einhalten wollen, wenn wir das erken­nen wollen. Da, muss ich sagen, hat der Zusatzan­trag der Regierungskoalition erhebliche Schwä­chen. Er wird uns überhaupt nicht weiterbringen. Deswegen hoffe ich auf eine Zustimmung zu unse­rem Antrag, wenn Sie Ihre Ziele ernst nehmen. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Stephan Jersch DIE LINKE: Ich hoffe, die Reihenfolge ist ein Vorzeichen für die nächste Wahl.

Liebe Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kol­legen! Frau Schaal hatte es schon erwähnt: Metha­nemissionen sind bei der Erdgasförderung prozes­simmanent; so viel ist klar. Ich danke Frau Schaal auch in der Tat. Die Überarbeitung des Zusatzan­trags hat einiges noch einmal klarer gestellt, insbe­sondere bei dem Vergleich verschiedener klassisch geförderter Erdgassorten - das russische ist her­ausgefallen - , denn wir müssen wirklich ganz klar sagen: Egal, über welches Erdgas wir im Moment reden, über welches Methan, ist es in der Tat so: Es gibt einen großen Unterschied zwischen ver­schiedenen Erdgassorten auf der einen Seite und gefracktem Erdgas und LNG auf der anderen Seite; das muss man an dieser Stelle wirklich klar sagen. Wer diesen Unterschied nicht macht, der hat klima­politisch einfach den falschen Zungenschlag drauf.

(Beifall bei der LINKEN)

Lieber Kollege Seeler, ja, wir konnten gestern im Wirtschaftsausschuss üben. Da sage ich Ihnen jetzt auch noch einmal zu Schweröl und LNG: LNG, wenn es gefrackt ist, hat eine Klimabilanz, die schlechter ist, als wenn ich mit dem Schiff mit Schweröl fahren würde. Die anderen Schadstoffe sind ein anderes Thema. Aber man muss sich die­se zwei Seiten immer vor Augen führen: Ist das, was machbar ist, auch wirklich realistisch, wenn ich es nicht ausschließen kann, dass ich mir das Klima unterm Hintern wegreiße?

Dann auch zum gestrigen Antrag der CDU-Frakti­on, was den Aufbau einer Infrastruktur für LNG an­ geht: Herr Seeler, Sie wollten wissen, Sie wollten einmal hören, wofür DIE LINKE denn dann über­haupt ist. Dann möchte ich Ihnen einmal sagen: Wenn wir genug Bio-LNG im Angebot hätten, um damit eine LNG-Infrastruktur betreiben zu können - davon sind wir sehr weit weg - , dann, würde ich sagen, können wir in der Tat daran denken, das als Speicherform für Energie mit einer entsprechenden Infrastruktur aufzubauen. Im Moment ist der Aufbau dieser Infrastruktur nichts anderes als der Versuch, einen neuen Markt mit alten Brennstoffen aufzu­bauen, und zwar befördert von großen Energiekon­zernen und letztendlich der US-Regierung.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Sie eben noch auf die Schadstoffe angespro­chen haben - ich habe es gestern im Wirtschafts­ausschuss auch erw ähnt-: Die Niederlande haben, steuerlich bevorteilt, LNG-betriebene Lkws. Der Steuervorteil ist ausgelaufen, weil es mittlerweile keinen Vorteil für die Umwelt gegen Euro-6-Lkws mehr gibt. Das muss man sich dann auch vor Au­gen führen, dass LNG nicht die Lösung aller unse­rer Probleme ist, es tatsächlich nur als Speicher­form für zu viele erneuerbare Energien oder aber als Brückentechnik taugt. Wer es sich so bequem macht zu sagen, es sei einem letztendlich egal, wo das LNG herkomme, denn man könne es nicht überprüfen, und damit in Kauf nimmt, dass dann Klimagase wie insbesondere Methan, die um eine Potenz höher schädlich sind für die Atmosphäre, freigesetzt werden, der hat nicht begriffen, was Nachhaltigkeit ist. Nachhaltigkeit hört nicht an der Stadtgrenze auf, Nachhaltigkeit betrifft die gesamte Prozesskette. Das heißt, selbst wenn diese Klima­gase nicht in die CO2-Bilanz Hamburgs einfließen, werden sie frei und man muss das mitdenken.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu dem, was das Bio-LNG angeht, das von der Re­gierungskoalition auf die Karte gesetzt worden ist, kann ich nur sagen: Wir sind im Moment noch nicht da, wo wir eigentlich sein müssten. Deswegen ist das, was im Moment gemacht wird, eine Beförde­rung von Fracking-LNG, weil wir uns hier anschei­nend dazu committen, dass wir nicht sagen kön­nen, womit wir eigentlich arbeiten, und damit auch sagen, die Klimaziele seien uns, zumindest zu ei­nem Teil, egal.

(Beifall bei der LINKEN)