SKA: Auftragsvergabe an Schäfereibetriebe durch die FHH

Stephan Jersch

Ein Schäfereibetrieb, den Hamburg unter Vertrag hatte, wird zukünftig nicht mehr für Hamburg arbeiten, weil er kranke Schafe nicht ausreichend hatte behandeln lassen und weil er seine Tiere so nachlässig versorgte hatte, dass zeitweilig die Feuerwehr den verdurstenden Tieren Wasser geben musste.

27. September 2019
 Schriftliche Kleine Anfrage
des Abgeordneten Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 19.09.2019
und Antwort des Senats
- Drucksache 21/18428 -


Betr.:   Auftragsvergabe an Schäfereibetriebe durch die FHH

Der Hamburger Tierschutzverein von 1841 e.V. (HTV) berichtet in seiner Pressemitteilung vom 10.09.2019 über erhebliche Verstöße gegen das Tierschutzgesetz seitens eines Schäfers im Bereich Süderelbe, der seitens der FHH mit der Pflege eines Deichabschnittes beauftragt gewesen sei.

Das Bezirksamt Mitte wird in der Presse dahin gehend zitiert, dass der Schäfer bzw. die Tiere bereits mehrfach kontrolliert worden sind. Dabei seien kranke Tiere von der Herde getrennt worden. Allerdings sei auch das Bezirksamt Mitte auf Hinweise angewiesen, um zu prüfen, ob weitere Tiere erkrankt seien. "Wir können ja nicht 24 Stunden neben der Weide stehen", so wird eine Sprecherin des Bezirksamtes vom NDR zitiert. Das Veterinäramt spricht laut dem NDR davon, dass der Schäfer überfordert sei. In einem Presseartikel der WELT wird inzwischen berichtet, dass der Vertrag mit dem Schäfereibetrieb gekündigt sei.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

1. Welche Voraussetzungen müssen vorliegen, damit die FHH einen Vertrag mit einem Schäfer bzw. Schäfereibetrieb zur Pflege von Deichanlagen oder sonstigen Grünanlagen abschließt?

Die Vertragsschließung mit Schäfereibetrieben erfolgt mit unterschiedlichem Hintergrund (z.B. zum Zwecke des Deichschutzes oder des Naturschutzes) und dementsprechend durch verschiedene Behörden. Als Voraussetzungen für Vertragsregelungen werden u.a. folgende Kriterien herangezogen:

  • Befähigungsnachweis der Art der Beweidung auf Hochwasserschutzanlagen
  • Nachweis über Anzahl der zur Verfügung stehenden Schafe
  • Nachweis gem. Viehverkehrsverordnung
  • Impfnachweise
  • Wirtschaftlichkeit
  • Zuverlässigkeit
  • Eigenerklärung zur Tariftreue und zur Zahlung eines Mindestlohnes
  • Betriebsspiegel
  • Ausbildungsnachweis
  • Referenzen

 

2. Wann wurde der Vertrag mit dem o.g. Schäfer bzw. dessen Betrieb von welcher Stelle geschlossen und welche Leistungen wurden darin vereinbart? Um welches Auftragsvolumen handelt es sich und aus welcher Produktgruppe ist diese Vergabe zugeordnet?

Der Vertrag wurde am 29. April 2019 zwischen dem Bezirksamt Hamburg-Mitte und dem Schäfer geschlossen. Vereinbart wurden Beweidungsleistungen mit einer Auftragssumme i.H.v. 33.408,10 € aus der Produktgruppe Unterhaltung von Hochwasserschutzanlagen.

 

3. Gab es vor diesem Vertrag bereits eine Zusammenarbeit mit diesem Schäfer bzw. dem Betrieb?

Ja.

a. Wenn ja: Welche Verträge mit welchen Laufzeiten lagen bisher vor?

Beweidungsverträge von 2009 bis Ende 2014.

b. Wenn ja: Lagen in der Vergangenheit schon Meldungen zu Missständen vor?

Es traten kleinere Mängel in Form einzelner lahmender Schafe und einer nicht immer optimalen Wasserversorgung der Tiere auf.

 

4. Wie groß ist der Betrieb des Schäfers? Wie viele Mitarbeiter/innen werden beschäftigt, um welche Anzahl von Tieren handelt es sich und an welchem Ort befindet sich der Unternehmenssitz?

Der Betrieb hat gemäß abgeschlossenem Vertrag ca. 800 Schafe und 200 Lämmer. Nach Angaben des Schäfers werden keine festen Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter beschäftigt. Eine kurzzeitige Unterstützung durch freiwillige Helferinnen und Helfer wird jedoch regelmäßig in Anspruch genommen.

Der Betriebssitz befindet sich im Kreis Paderborn.

 

5. Wie hat das Bezirksamt Mitte sich über die fachliche Eignung des Schäfers bzw. des Betriebes informiert bzw. versichert?

Siehe Antwort zu 1.

 

6. Wie häufig wurde der Schäfer bzw. der Betrieb während der bisherigen Vertragslaufzeit vom zuständigen Veterinäramt kontrolliert und welche Ergebnisse liegen dazu vor?

7. Ist es zutreffend, dass Kontrollen seitens des zuständigen Veterinäramtes am 10.05.19, 27.05.19 und 25.06.19 beim o.g. Schäfer durchgeführt wurden? Wenn ja: Welche Gründe lagen für die Kontrollen vor? Was war das Ergebnis der Kontrollen und welche Konsequenzen wurden daraus abgeleitet?

8. Ist es zutreffend, dass am 09.08.19 und 13.08.19 erneut entsprechende Kontrollen durchgeführt wurden? Wenn ja: Welche Gründe lagen für die Kontrollen vor? Was war das Ergebnis der Kontrollen und welche Konsequenzen wurden daraus abgeleitet?

DatumArtKontrollergebnisseMaßnahmen
10.05.19AKviele lahmende Schafe und LämmerMündliche Anordnung tierärztlicher Behandlung, Tierarzt benachrichtigt
27.05.19NKvereinzelt geringgradige LahmheitenNotwendige Behandlungen werden weiterhin durchgeführt
06.06.19NKvereinzelt geringgradige LahmheitenLahmende Tiere weiter in Behandlung
25.06.19AKUnzureichende Wasserversorgung einer HerdeWasserversorgung durch Feuerwehr
09.08.19AKHaltungsmängel bei Schafen und Hunden, mangelhafte Hygiene, vermehrt Lahmheiten bei Schafen, Hinweise auf Tötung von TierenTötung eines Tieres und Behandlung weiterer Tiere durch Tierarzt, mündliche Anordnung zur Mängelbeseitigung und Separieren kranker Tiere
13.08.19NKWasserbottiche nahezu leer auf Weide am Stall, keine Wasserversorgung Hund, Hygienemängel nicht beseitigtHelfer erschien während Kontrolle, um Tiere zu versorgen
14.08.19NKBesprechung mit dem Schäfer und Helfererneut mündliche Anordnung stark lahmende Tiere zu separieren
14.08.19NKtierärztliche Behandlungen wurden weitergeführt, Zwinger waren sauber, Stallnebengebäude war gereinigtSchriftliche Anordnung übergeben
16.08.19NKSanierung und tierärztliche Behandlung der Herde fortgeführt, Zwinger nicht gereinigtmündliche Anordnung der Zufütterung
22.08.19NKeinige lahmende Schafe, Futter- und Wasserversorgung o.k., Hundezwinger sauber, Tierarzt vor OrtBehandlungskonzept des Tierarztes besprochen
02.09.19NKKontrolle, ob Anordnung befolgt, tierärztliche Versorgung durchgehend gewährleistet, Wasserversorgung gewährleistet, zugesagte Helfer fehlen, Laufleinen- Vorrichtung für Hofhund ungeeignetÄnderung der Leinenvorrichtung mit Schäfer besprochen
12.09.19NKkeine Lahmheiten der Schafe auf den Weiden festgestellt, Wasser vorhanden, ein Hütehund gestohlen, dafür neue Hündin im Zwinger, gute Versorgung der isolierten Tiereausgebrochene Schafe zurück getrieben, Information des Schäfers über Beendigung der Weidezeit

AK= Anlasskontrolle                                                   NK=Nachkontrolle

 

9. Wird der Ende September auslaufende Vertrag mit dem Schäfer verlängert bzw. erneuert? Wenn ja: Welche Gründe liegen dafür vor? Wenn nein: Warum nicht?

Nein, aufgrund der festgestellten tierschutzrechtlichen Verstöße bei den Anlass- und Nachkontrollen.

a. Falls der Vertrag nicht verlängert wird: Welche Pläne hat die FHH zur Vergabe der Deichpflege an dieser Stelle?

Es erfolgt eine Neuausschreibung.

 

10. Mit wie vielen Schäfereibetrieben unterhält die FHH generell Verträge zur Deichpflege bzw. Pflege von Grünanlagen? Bitte bezogen auf Bezirke auflisten.
 

Die Bezirksämter Hamburg-Mitte, Bergedorf und Harburg unterhalten mit je einem Schäfereibetrieb einen Vertrag.

Für die für Naturschutz zuständige Behörde für Umwelt und Energie werden Flächen in den folgenden Naturschutzgebieten von jeweils einem Schäfereibetrieb beweidet:

Bezirk Bergedorf: Boberger Niederung
Bezirk Harburg:  Fischbeker Heide und Moorgürtel.

 

11. Wie häufig wurden diese Betriebe von den zuständigen Veterinärämtern kontrolliert und welche Ergebnisse liegen dazu vor? Bitte für die letzten fünf Jahre nach Bezirken geordnet auflisten.

Veterinärrechtliche Kontrollen werden in Hamburg anlassbezogen durchgeführt und es wird regelhaft Hinweisen, die auf Verstöße schließen lassen, nachgegangen.

Bezirk Hamburg-Mitte
In der Zeit vom 10. Mai bis 12. September wurden zwölf Kontrollen zu Fragen der Tierhaltung, Ernährung, etc. durchgeführt. Erforderliche Maßnahmen wurden angeordnet und deren Umsetzung kontrolliert.

Bezirk Bergedorf
Der Schäfereibetrieb in Bergedorf wurde in den vergangenen fünf Jahren insgesamt 13-mal kontrolliert. Eine amtliche Anordnung von Auflagen war danach nicht erforderlich.

Bezirk Harburg
Ein Schäfereibetrieb wurde in dem angefragten Zeitraum zweimal kontrolliert und Mängel hinsichtlich Betriebsregistrierung, Führung des Bestandsregisters, Vollständigkeit der Begleitpapiere, Meldeverpflichtungen und Tierkennzeichnung festgestellt.

Eine Schäferei wurde einmal kontrolliert und Mängel im Bestandsregister festgestellt.

Ein Schäfereibetrieb wurde in dem angefragten Zeitraum nicht kontrolliert.

 

12. Welche Auswirkungen haben die aktuellen Ereignisse um den o.g. Schäfereibetrieb hinsichtlich der Einhaltung des Tierschutzgesetzes auf aktuelle und folgende Vertragsbeziehungen seitens der FHH zu Schäfereibetrieben?

Unabhängig von Vertragsregelungen unterliegen Schafhaltungen einer veterinärrechtlichen Überwachung der Verbraucherschutzämter der Hamburger Bezirke.