Antrag: Das Hamburger Eisenbahnnetz zukunftsfähig gestalten

Stephan Jersch

Das Hamburger Eisenbahnnetz zukunftsfähig gestalten

BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG
Drucksache 21/20170
21. Wahlperiode
12.02.20


Antrag
der Abgeordneten Heike Sudmann, Norbert Hackbusch, Stephan Jersch, Sabine Boeddinghaus, Deniz Celik, Martin Dolzer, Dr. Carola Ensslen, Cansu Özdemir, Christiane Schneider und Mehmet Yildiz (DIE LINKE)
Zusatzantrag zu Drs. 21/19943


Betr.: Das Hamburger Eisenbahnnetz zukunftsfähig gestalten

Die Deutsche Bahn plant mit Unterstützung der Freien und Hansestadt Hamburg, den Fern- und Regionalbahnhof Altona zu schließen und nach Diebsteich zu verlegen. Für dieses Projekt gibt es seit dem 22.8.2018 einen unbefristeten Baustopp. Ein entsprechendes Verfahren ist vor dem OVG Hamburg anhängig.

Seit rund einem Jahr führen Senat, Deutsche Bahn AG (DB), NAH.SH und der Investor Gespräche mit dem VCD Nord und der Bürgerinitiative Prellbock Altona als Kläger/-innen mit dem Ziel einer außergerichtlichen Einigung. In diesen Gesprächen kam zutage, dass die Planungen für das Bahnhofsverlagerungsprojekt im Wesentlichen in den Jahren 1996 bis 2013 konzipiert wurden, als die DB im Vorfeld des geplanten Börsengangs das Ziel verfolgte, die Eisenbahninfrastruktur auf das Allernotwendigste zu reduzieren.

Zwischenzeitlich haben sich die politischen Rahmenbedingungen für das Projekt vollständig geändert:

  • Konzeptpapier der DB AG „Starke Schiene“ mit dem Ziel, die Fahrgastzahlen bis 2030 zu verdoppeln.
  • Umsetzung des Deutschlandtaktes bis 2030.
  • Vorschlag des Parlamentarischen Staatssekretärs Enak Ferlemann zur zweigleisigen Untertunnelung der Verbindungsbahn vom Hauptbahnhof bis nach Altona, entweder für die S- oder Fernbahn.
  • Vorschläge des ehemaligen Geschäftsführers der metronom Eisenbahngesellschaft mbH zur Schaffung einer Eisenbahnelbquerung im Hamburger Westen von Altona nach Harburg zur Entlastung des Engpasses Elbbrücken.
  • Vorschläge der Politik zur Erweiterung des S-Bahn-Netzes in Hamburg (S32 nach Bahrenfeld Osdorf – Schenefeld, S4-West, S21 nach Kaltenkirchen).
  • Vorschläge aus den Faktencheckgesprächen, die Güterumgehungsbahn zweigleisig als nördlichen Teil eines Hamburger S-Bahn-Ringes nach Berliner Muster auszubauen.
  • Aktuelle Diskussion um eine Klima- und Verkehrswende.

Die von der DB am Diebsteich derzeit geplanten Baumaßnahmen berücksichtigen die geänderten Rahmenbedingungen in keiner Weise. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass der künftige Fern- und Regionalbahnhof Diebsteich noch nicht einmal in der Lage sein wird, die heutigen Bahnverkehre störungsfrei abzuwickeln, geschweige denn die politisch gewünschten Zusatzverkehre zu bewältigen.

Die DB behauptete bisher immer eine Leistungsfähigkeit des geplanten Bahnhofs von 24 Zügen je Stunde. Mittlerweile will die DB laut Vereinbarung 31 Züge in Spitzenstunden garantieren. Hier sind zu Recht Zweifel angebracht. Laut Vereinbarung vom 10.2.20 soll hierzu ein Testat eingeholt werden. Ob beziehungsweise welche Folgen das Testat hat, bleibt völlig offen. Da der Fahrplan 2020 heute schon etliche Spitzentage und Spitzenstunden aufweist, an denen mindestens 31 Züge pro Stunde abgefertigt werden müssen, gibt es mit der derzeitigen Planung keinen zukunftsfähigen Bahnhof am Diebsteich.

Diebsteich muss, um nicht nach dem Ausbau der Verbindungsbahn gemäß den Ferlemann-Plänen ein neues Nadelöhr im Hamburger Bahnnetz zu werden, acht Fern- und Regionalbahngleise erhalten. Die acht  Fernbahngleise sind auch zur Umsetzung des Deutschlandtaktes zwingend erforderlich. Zusätzlich ist ein viergleisiger S-Bahnhof in Tieflage absolut notwendig, um die geplante Ausweitung des S-Bahn-Angebotes störungsfrei abzuwickeln. Sollte Diebsteich so gebaut werden, wie von der DB derzeitig geplant, müsste kurz nach Inbetriebnahme von Diebsteich der gesamte Bahnhof wieder vollständig umgebaut werden. Hamburg würde sich damit auf lange Zeit die Chance verbauen, das Hamburger Bahnnetz zukunftsfähig zu gestalten. Die jetzigen Planungen von Diebsteich unter den geänderten Rahmenbedingungen sind nicht zukunftsfähig.

Die Metropolregion Hamburg muss im Zeichen des Klimawandels ein leistungsfähiges Schnell-, Fern- und Regionalbahnnetz erhalten und darf nicht Opfer veralteter Planungen der DB werden.

Die Bürgerschaft möge beschließen:

  1. Die Bürgerschaft unterstützt Maßnahmen und Planungen, die den notwendigen Ausbau der Schienenkapazitäten auf Grundlage der skizzierten Entwicklungen und politischen Rahmenbedingungen ermöglichen.
  2. Der Senat wird ersucht,

a. der Bürgerschaft umgehend darzulegen, wie die Schritte in einer verbindlichen und rechtssicheren Vereinbarung zwischen der DB und den gegebenenfalls zuständigen Unternehmen der DB, der Freien und Hansestadt Hamburg und der Klägerin gegen das Planfeststellungsverfahren Diebsteich, VCD, festgelegt werden können,

b. eine umfassende Einbindung und Beschlussfassung der Bürgerschaft vor Abschluss der Vereinbarung sicherzustellen,

c. nach dem Abschluss der skizzierten Vereinbarung die Bürgerschaft regelmäßig einzubinden und fortlaufend über den Sachstand zu berichten.