ANTRAG: Der Klimanotstand ist real – Verstärkte Klimamaßnahmen ergreifen

Stephan Jersch

Halbherzige Maßnahmen und Finanzierungsvorbehalte helfen nicht gegen die Erderwärmung. Die LINKE beantragt konkrete Maßnahmen, um das Ruder endlich herumzureißen.

BÜRGERSCHAFT
DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG
21. Wahlperiode
Drucksache 21/18187 vom 28.08.19

Antrag
der Abgeordneten Stephan Jersch, Heike Sudmann, Deniz Celik,
Norbert Hackbusch, Sabine Boeddinghaus, Martin Dolzer, Dr. Carola Ensslen,
Cansu Özdemir, Christiane Schneider und Mehmet Yildiz (DIE LINKE)

Betr.: Der Klimanotstand ist real – Verstärkte Klimamaßnahmen ergreifen

Nicht nur junge Bürgerinnen und Bürger erwarten – wie zuletzt bei einer Anhörung des Umweltausschusses am 13.08.2019 – von „der Politik“ endlich durchgreifende Handlungen im Sinne des Klimaschutzes. Der BUND Hamburg forderte im Mai 2019 von der Hamburgischen Bürgerschaft gar, umgehend den Klimanotstand für Hamburg zu erklären, da die aktuellen Maßnahmen der öffentlichen Hand und der Hamburger Wirtschaft nicht ausreichten, um die für den Klimaschutz notwendigen Einsparziele bis 2030 auch nur annähernd zu erreichen.

Im Verkehr steigen die Emissionen wieder, im Gebäudebereich bricht die energetische Sanierungsquote ein und die Hamburger Industrie verharrt auf einem viel zu niedrigen Level, um den Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid zu reduzieren Der Senat ist mit der Vorlage eines fortgeschriebenen Klimaplanes überfällig.

Angesichts des hohen Zeitdrucks muss sich auch die Bürgerschaft in der Klimafrage neu aufstellen. Daher schlägt die Fraktion DIE LINKE die Einrichtung eines Sonderausschusses „Klimawandel“ vor, der alle behördlichen Maßnahmen auf deren Auswirkung auf die Einhaltung der Klimaziele beurteilt. Jedes Projekt mit öffentlicher Beteiligung, jedes Vorhaben der Hamburger Verwaltung und jede Investition der öffentlichen Unternehmen muss auf seine Klimaverträglichkeit überprüft werden.

Ein unabhängiges Experten-/-innengremium berät den Ausschuss und bewertet neben der Klimaauswirkung auch die Auswirkungen auf die soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit unter Einbeziehung der Sustainable Development Goals (SDG). Die Sinnhaftigkeit dieses Vorgehen wird durch die positiven Erfahrungen aus der Umsetzung des Netze-Volksentscheides vom September 2013, wo dauerhaft die Experten-/-innenanhörung zum Themenkomplex in die Arbeit des Umweltausschusses integriert wurde, bestätigt.

Der „Sonderausschuss Klimawandel“ sollte nicht der allgemeinen Diskontinuität zwischen den Wahlperioden anheimfallen. Daher bedarf es einer Absichtserklärung der jetzt im Parlament vertretenen demokratischen Fraktionen, in der neuen Legislatur den Sonderausschuss fortzuführen.

Auch im Hafen werden klimapolitische Anstrengungen verstärkt werden müssen, so sind zum Beispiel ein Landstrom-Anschlusszwang für dafür fähige Schiffe, der Einsatz von PowerPacs und die Beschleunigung der Umrüstung der städtischen Flotte unumgänglich. Weitere Vorschläge liegen vor.

Die leichtfertig von breiter Bürgerschaftsmehrheit in unsere Landesverfassung geschriebene Schuldenbremse entpuppt sich als Zukunftsinvestitionsbremse.

Nachdem Konstanz als erste deutsche Kommune am 2. Mai 2019 den Klimanotstand ausrief, sind mittlerweile weitere gefolgt, zuletzt die brandenburgische Landeshauptstadt Potsdam am 14. August 2019.

Die Bürgerschaft möge daher beschließen:

  1. Die Bürgerschaft erklärt den Klimanotstand für unsere Stadt;
  2. Die Bürgerschaft anerkennt, dass es sich bei der Klimakatastrophe um eine krisenhafte Situation handelt, sodass sämtliche erforderlichen Investitionen nicht unter einem Finanzierungsvorbehalt stehen dürfen;
  3. Die Bürgerschaft richtet einen Sonderausschuss „Klimawandel“ ein, der alle behördlichen Maßnahmen auf deren Auswirkung auf die Einhaltung der Klimaziele beurteilt. Dazu wird zu jeder behördlichen Maßnahme eine konkrete Klimabilanz erstellt.
  4. Dem Ausschuss wird ein unabhängiges Experten-/-innengremium beratend zur Seite gestellt, dass neben der Klimaauswirkung auch die Auswirkungen auf die soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit unter Einbeziehung der SDG bewertet.
  5. Bei allen Maßnahmen der Freien und Hansestadt Hamburg, die Auswirkung auf das Klima haben, ist seitens der befassten Behörden die gesamte Verursacherkette für Klimagase mit einzubeziehen.
  6. Die Klimaziele Hamburgs sind den Anforderungen der Klimaentwicklung anzupassen. Dazu ist im sich in Bearbeitung befindlichen Klimaplan das Ziel der Klimaneutralität für 2035 vorzusehen.
  7. In den Bezirken einerseits und hamburgweit andererseits werden als eine neue Form der Beteiligung Bürgerforen eingerichtet, deren Zusammensetzung einem repräsentativen Querschnitt des jeweiligen Gebietes entspricht. Die Bürgerforen erarbeiten Vorschläge zu klimapolitischen Maßnahmen, die Bezirksversammlungen und Bürgerschaft zur Debatte und Abstimmung vorgelegt werden.
  8. Alle bisher erfolgten Klimamaßnahmen beziehungsweise -vereinbarungen die auf Freiwilligkeit basieren, sind auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und gegebenenfalls ordnungspolitisch auszugestalten.
  9. Jedes Projekt mit öffentlicher Beteiligung, jedes Vorhaben der Hamburger Verwaltung und jede Investition der öffentlichen Unternehmen muss auf seine Klimaverträglichkeit überprüft werden.
  10. Die Bürgerschaft fordert die zukünftige Bürgerschaft der 22. Legislatur auf, den Sonderausschuss zusammen mit dem unabhängigen Experten-/-innengremium wieder einzusetzen.
  11. Der Hamburger Senat wird aufgefordert, quartalsweise Berichte bezüglich der Umsetzung von Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise zu erstellen.