SKA: Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser! Oder: Missbraucht der Landesbund der Gartenfreunde in Hamburg e.V. (LGH) die Kleingartenvorstände als Kontrolleure?

Stephan Jersch

Kraft Amtes will die zuständige Umweltbehörde ureigenste hoheitliche Aufgaben, nämlich die Aufsicht über die Einhaltung wasser- bzw. abfallrechtlicher Vorschriften durch die Mitglieder von Hamburgs Kleingartenvereinen, offenbar auf die Vereinsvorstände übertragen. Auf welcher Rechtsgrundlage sie dies meint tun zu können, bleibt allerdings unklar.

18. Dezember 2018

Schriftliche Kleine Anfrage

des Abgeordneten Stephan Jersch (Fraktion DIE LINKE) vom 10.12.18
und Antwort des Senats
- Drucksache 21/15494 -

Betr.:    Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser! Oder: Missbraucht der Landesbund der Gartenfreunde in Hamburg e.V. (LGH) die Kleingartenvorstände als Kontrolleure?

Die Behörde für Umwelt und Energie (BUE) und der LGH beabsichtigen, sich in einer „Fragebogenaktion in den Kleingärten zu Abwassermissständen“, so der Titel der geplanten Befragung, an die Pächterinnen und Pächter von Hamburger Kleingärten zu wenden. Hintergrund dafür sei die laufende Überprüfung der BUE nach unerlaubten Abwasseranfall und Abwasserbeseitigung in den Kleingärten. Dazu habe der LGH mit der BUE den Vorgang einer „verbandsinternen Selbstkontrolle“ der Parzellen vereinbart. In diesem Zusammenhang soll bis Ende März 2019 der oben erwähnte Fragebogen von jedem Vereinsmitglied abgegeben werden. Zudem sollen die Vereinsvorstände die Richtigkeit der Angaben vor Ort überprüfen und eine Dokumentation darüber dem LGH bis Ende Juni 2019 vorlegen.

Als Rechtsgrundlage führen die BUE und der LGH satzungsrechtliche, wasserrechtliche, abwasserrechtliche und baurechtliche Bestimmungen an und auch ein Sanktionskatalog wird mit einem Beiblatt („FAQ-häufig gestellte Fragen“) gleich beigefügt. Sollten Verweigerungen seitens der Pächterinnen und Pächter vorliegen, so wird seitens der BUE und des LHG automatisch davon ausgegangen, dass Abwassermissstände vorliegen, die dann ihrerseits Prüfungen der BUE zur Forderung nach Herstellung ordnungsgemäßer Zustände mit sich bringen.  
So sinnvoll und wichtig Maßnahmen hinsichtlich des Umweltschutzes auch in Kleingärten sind, dieses Vorgehen der BUE und des LGH werfen dennoch einige Fragen auf.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

1. Durch wen bzw. welche Stellen wurde diese Umfrage initiiert? Welche konkreten Gründe liegen für diese Fragebogenaktion vor und was soll dadurch erreicht werden?

Zu den Initiatoren sowie den Gründen und Zielen der Selbstauskunft siehe Drs. 21/15141.

 

2. Nach welcher Rechtsgrundlage ist der LGH berechtigt, für alle Kleingartenvereine eine „verbandsinterne Selbstkontrolle“ wie oben aufgeführt mit der BUE zu vereinbaren?

Vertragspartner der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) ist der Landesbund der Gartenfreunde in Hamburg e.V. (LGH) als Hauptpächter der Kleingartenflächen, welche an die Mitgliedsvereine des LGH verpachtet werden (Zwischenpachtvertrag). Sowohl der LGH als auch die Vereine sind auf Grund der Vertragslage daran gehalten dafür zu sorgen, dass die Flächen ordnungsgemäß genutzt werden.

 

3. Aus welchen Gründen und auf welcher Grundlage übertragen die BUE und der LGH eine Überprüfung der Parzellen auf die Vorstände der jeweiligen Vereine?

Die Behörde für Umwelt und Energie (BUE) überträgt die Überprüfung der Abwassereinrichtungen nicht auf die Vorstände. Vielmehr dient die Selbstauskunft als notwendige Ergänzung zum Kontrollprogramm der BUE. Im Übrigen siehe Drs. 21/15141. Der Grund für die Mitwirkung bei der Überprüfung der Parzellen ergibt sich aus den in der Antwort zu 2. geschilderten Verpflichtungen.

 

4. Aus welchen Gründen wird unter Punkt 10 des Fragebogens versucht, von den Pächterinnen und Pächtern die Zustimmung zur Erklärung „Ich erkläre mich damit einverstanden, einmalig nach Terminabsprache die Angaben durch den Kleingartenvorstand überprüfen zu lassen“ einzuholen, wenn diese doch im Anschreiben schon ausdrücklich auf ihre Auskunfts- und Mitwirkungspflicht hingewiesen werden?

Das Einverständnis der Pächter ist erforderlich, um sicherzustellen, dass ein Vorstandsmitglied die Laube betreten und die Angaben überprüfen darf.

 

5. Wie wägt der Senat bei dieser Befragung (und den damit einher gehenden Kontrollen) das Recht auf Privatsphäre der Pächterinnen und Pächter einerseits und der Einhaltung o.g. rechtlichen Bestimmungen andererseits ab?

Die Frage der Abwägung zwischen öffentlichen und privaten Belangen ist bereits in der Festsetzung der rechtlichen Regelungen erfolgt.

Aus der Verantwortung der Vereine für die ordnungsgemäße Nutzung der Parzellen ergibt sich die Berechtigung, auf den Parzellen Kontrollen durchzuführen. Zudem ist die zuständige Behörde verpflichtet, bei Anhaltspunkten für mögliche Abwasserverstöße eine Überprüfung durchzuführen. Zur Vermeidung möglicher Abwassermissstände ergibt sich aus dem Wasser-, Abwasser- und Baurecht auch die Berechtigung, die Laube zu kontrollieren.

 

6. Bei dem angestrebten Vorgehen von Befragung und Kontrollen muss davon ausgegangen werden, dass es auf Betreiben der BUE und des LGH zu Konflikten und Unruhe in den Vereinen zwischen den Pächterinnen und Pächtern und ihren jeweiligen Vorständen kommt. Wie beurteilt der Senat diesen Sachverhalt vor dem Hintergrund, dass Kleingartenvereine auch eine wichtige soziale Funktion in der Stadt ausüben?

Das Beachten von gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen beeinträchtigt die soziale Komponente des Kleingartenwesens nicht. Konflikte sind höchstens im Zusammenhang mit Verstößen gegen gesetzliche und vertragliche Bestimmungen zu erwarten.

 

7. „In dubio pro reo“, so heißt es vor Gericht. Warum und auf welcher Rechtsgrundlage nehmen die BUE und der LGH quasi eine Beweislastumkehr vor und stellen alle Pächterinnen und Pächter von Kleingärten unter den Generalverdacht des Abwassermissstands, sollten diese nicht einer Überprüfung ihrer Parzellen durch den jeweiligen Kleingartenvorstand zustimmen?

Im Rahmen der bisherigen anlassbezogenen Kontrollen durch die BUE hat sich aufgrund des Umfangs der festgestellten Abwassermissstände gezeigt, dass Kontrollen erforderlich sind, um sicher zu stellen, dass die Pächterinnen und Pächter auf den Kleingartenflächen die vorgegebenen gesetzlichen Regelungen einhalten. Die Kontrollen sollen durch die verstärkte Eigenkontrolle des LGH ergänzt werden. Dort wo Pächterinnen bzw. Pächter ihren Pflichten nicht nachkommen und damit die Selbstverwaltung unmöglich machen, ergibt sich aus Sicht der BUE ein hinreichender Anhaltspunkt, dass dort abwasserrechtlich nicht ordnungsgemäße Zustände unentdeckt bleiben sollen. Damit ist eine behördliche Kontrolle nach dem Wasserhaushaltsgesetz, Hamburgischen Wassergesetz und Hamburgischen Abwassergesetz erforderlich und gerechtfertigt und stellen keinen Generalverdacht dar.