SKA: Anwendung von Glyphosat- Sachstand

Stephan Jersch

Obwohl immer deutlicher wird, dass Glyphosat nicht nur direkt auch für Nicht-Zielorganismen schädlich ist (Stichworte: Insektensterben und wahrscheinliche Kanzerogenität), sondern auch in Form seiner Abbauprodukte Böden und Grund-/Trinkwasser bedroht, wird das Pestizid in Hamburg weiterhin ausgebracht. Welche Auswirkungen dieser Art es schon gibt, geht aus dieser Senatsantwort nicht hervor. Und: Trotz Moratorium gab es im laufenden Jahr wieder 32 Ausnahmegenehmigungen für die Anwendung dieses Pestizids auf Nicht-Kulturflächen, wieder auf weit über 100 Hektar. Immerhin: Das Moratorium wurde dahingehend verschärft,"dass glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel nur noch bei Nachweis einer Erforderlichkeit aufgrund der Betriebs-, Verkehrs- oder Anlagensicherheit genehmigt werden". Fragt sich, wie solche Genehmigungen vorher erteilt wurden.

2. Oktober 2018

 Schriftliche Kleine Anfrage
des Abgeordneten Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 24.09.2018
und Antwort des Senats
- Drucksache 21/14438 -


Betr.:    Anwendung von Glyphosat- Sachstand

Das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat wird lt. Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) im Gegensatz zu früheren Angaben der Industrie nicht vollständig im Boden abgebaut. Es sei zu befürchten, dass es zu einer Anreicherung in den Gewässern wie bei den Stickstoffeinträgen aus der Landwirtschaft komme. (vgl. u.a. Artikel: Es passiert sehr wenig bis nichts, Neues Deutschland, 13.04.2018, S.13)

Die kürzlich publizierte Studie der Leopoldina Akademie der Wissenschaften „Der stumme Frühling – Zur Notwendigkeit eines umweltverträglichen Pflanzenschutzes“ (https://www.leopoldina.org/uploads/tx_leopublication/2018_Diskussionspapier_Pflanzenschutzmittel.pdf) kritisiert ferner die Zulassungsregelungen und Risikoabschätzungsverfahren von Pestiziden, darunter auch Glyphosat, als unzureichend, da die dabei eingesetzten Modelle nicht alle ökologischen Wirkszenarien im Freiland abbildeten und entscheidende Indikatoren wie indirekte Effekte, multiple Stressfaktoren oder die Interaktion verschiedener Stoffe nicht bzw. nur wenig berücksichtigen. Die an der Studie beteiligten Wissenschaftlerinnen kommen daher zu dem Schluss, dass „die Risiken durch Chemikalien systematisch unterschätzt [werden]“ (Schäffer et al. 2018: 46) und es nicht nur eines veränderten Zulassungsverfahrens bedarf, sondern darüber hinaus eines grundlegenden Paradigmenwechsels in der Agrar- und Chemikalienpolitik (vgl. ebd. S.47).

Einige Bundesländer, darunter Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen und neuerdings auch Bremen, haben den Einsatz von Glyphosat auf landeseigenen Nichtkulturflächen bereits untersagt. Dabei sind deren Regelungen weitreichender als das Moratorium des Hamburger Senats, das anders als in den genannten Bundesländern zeitlich befristet ist und sich zudem lediglich auf der Allgemeinheit zugängliche Nichtkulturflächen bezieht.

In den Drucksachen 21/ 12078 &12410 teilte der Senat, teils auch unter  Bezugnahme auf  Drucksachen  aus  der 20. Wahlperiode mit, das, nach der Entscheidung der Europäischen Kommission, Glyphosat für weitere fünf Jahre zuzulassen, dessen Einsatz  in Hamburg weiterhin auf landwirtschaftlich und gartenbaulich genutzten Flächen sowie im Rahmen von Einzelfallgenehmigungen erfolge. Das Pestizid Glyphosat, ein umstrittener Wirkstoff in Pflanzenschutzmitteln (PSM) zur Unkrautbekämpfung und zur Sikkation (Vorerntebehandlung) belastet also zumindest potentiell weiterhin die Hamburgerinnen und Hamburger.

Zu den Ergebnissen der 967. Bundesratssitzung am 27.4.2018 verlautbarte, im Rahmen der Beschäftigung mit diversen EU-Vorlagen, u.a. zum Thema Glyphosat , sei ein Verbot des Pflanzenschutzmittels in öffentlichen Einrichtungen wie Kitas und Parks herausgekommen. Im Vorfeld hatte Hamburgs Senat mitgeteilt, sich dafür einzusetzen, dass der Einsatz des Wirkstoffes Glyphosat deutlich eingeschränkt wird, mit dem Ziel, die Anwendung grundsätzlich zu beenden. Es sollten glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel auch auf öffentlichen Verkehrsflächen mit Ausnahmen von Gleisanlagen nicht mehr angewandt werden dürfen. Zudem sollte die Bundesregierung von den Ländern aufgefordert werden, die Verwendung von Glyphosat insbesondere im Haus- und Kleingartenbereich, in öffentlichen Einrichtungen,  auf Grünflächen und bei der Vorerntebehandlung zu verbieten, solange negative Effekte auf Gesundheit, Biodiversität, Wasserorganismen und Bodenlebewesen nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden können.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

1. In Beantwortung meiner Anfragen zum Thema teilte der Senat mit, obwohl er den Einsatz von Glyphosat auf von der Stadt verpachteten Flächen über die Pachtverträge untersagen könne, beabsichtige die zuständige Behörde nicht, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Eine sach- und fachgerechte Anwendung von Glyphosat auf landwirtschaftlichen Flächen wurde als vertretbar angesehen.

a) Auf welchen wissenschaftlichen Grundlagen basiert diese Einschätzung?

Pflanzenschutzmittel werden in Deutschland vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zugelassen. Im Rahmen des Zulassungsverfahrens werden alle zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegenden wissenschaftlichen Unterlagen herangezogen.

b) Ist dem Senat die eingangs zitierte Studie der Leopoldina Akademie bekannt?
Wenn ja, wie beurteilt der Senat die darin beschriebenen Erkenntnisse und Empfehlungen? Hat sich an seiner Einschätzung vor diesem Hintergrund etwas geändert? Wird der Senat diese Handlungsempfehlungen aufnehmen, wenn ja, welche, wenn nein, warum nicht?
Wenn nein, wann wird sich der Senat damit befassen?

Die Studie ist der zuständigen Behörde bekannt. Die darin genannten Themenschwerpunkte werden vom Pflanzenschutzdienst der Freien und Hansestadt Hamburg durchgeführt, geleistet, angeboten und laufend an neue Erkenntnisse und Entwicklungen anpasst. Monitoringprogramme zur Pestizidbelastung werden in Hamburg bereits umgesetzt und regelmäßig aktualisiert. Die Studie behandelt ferner Themen, die in der Zuständigkeit der Bundesbehörden liegen. Die Beratungen zur Pflanzenschutzmittelsteuer und der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sind noch nicht abgeschlossen. Im Übrigen hat sich der Senat damit nicht befasst.

2. Gibt es Bestrebungen seitens des Senats, das bestehende Moratorium zu verschärfen und ähnlich wie etwa die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hessen restriktiver zu gestalten?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

Das Moratorium wurde bereits im Mai des Jahres 2018 dahingehend restriktiver formuliert, dass glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel nur noch bei Nachweis einer Erforderlichkeit aufgrund der Betriebs-, Verkehrs- oder Anlagensicherheit genehmigt werden.

3. In der Drs. 21/12410 begründete der Senat den Einsatz von Glyphosat auf Nichtkulturflächen, die nicht der Allgemeinheit zugänglich sind (etwa Gleisanlagen, Öllagerstätten u.ä.), damit, dass eine effektive Unkrautbekämpfung zur Wahrnehmung von Verkehrssicherungspflichten derzeit nur durch den Glyphosat-Einsatz möglich sei.
Ist dem Senat bekannt, wie die erwähnten Bundesländer oder aber auch pestizidfreie Kommunen wie Rostock oder Augsburg dies handhaben?
Strebt der Senat einen Austausch mit diesen Ländern bzw. Kommunen an?
Wenn nein, warum nicht?

Ja. Auf Arbeitsebene findet zwischen den Ländern ein regelmäßiger Fachaustausch statt. Im Übrigen hat sich der Senat damit nicht befasst.

4. In Drs. 21/12078 wurde bejaht, dass Ausnahmegenehmigungen für den Einsatz von Glyphosat erteilt wurden, aber keine erbetene Tabelle ab dem Jahr 2015 in Anlehnung an die in Anlage zu Drs. 21/3106 aufführten und nach landwirtschaftlich und gartenbaulich genutzten sowie als Nichtkulturlandflächen ausgewiesenen aufgeschlüsselt abgegeben. Somit ist weiterhin unklar, wie groß die davon betroffenen Flächen waren. Ist der Senat nunmehr in der Lage nach Jahren und Lage der Flächen aufgeschlüsselt Angaben zu machen? Wenn nein, warum - anders als in Drs. 21/3106 - nicht?

Die Anwendung von zugelassenen Pflanzenschutzmitteln auf landwirtschaftlich und gartenbaulich genutzten Flächen erfordert keine Genehmigung. Daher erfolgt auch keine Datenerfassung. Im Gegensatz dazu muss die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf Nichtkulturland von der zuständigen Behörde genehmigt werden. Dementsprechend erfolgten die Angaben in der Anlage zur Drs. 21/3106. Im Übrigen siehe Antwort zu 5.

5. Gibt es für das Jahr 2018 nunmehr Ausnahmegenehmigungen? Wenn ja, bitte mit Anzahl, Flächengröße und Dauer der Genehmigung aufführen.

Im Jahr 2018 wurden insgesamt 32 Ausnahmegenehmigungen für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, die Glyphosat enthalten, auf Nichtkulturland erteilt. Die Genehmigungen wurden jeweils bis zum 31. Oktober 2018 erteilt. Die in den Anträgen angegebenen Flächengrößen umfassten etwa 145 ha.

6. Die durch Initiative Thüringens und Bremens zustande gekommene Bundesrat-Entschließung 740/17 zu einem restriktiveren Umgang mit Glyphosat wurde am 27. April 2018 erneut im Bundesrat behandelt. Welche genaueren Entscheidungen sind in besagter Sitzung gefallen und wie hat sich der Senat diesbezüglich vor dem Hintergrund seiner im Vorwege mitgeteilten Vorstellungen verhalten?

7. Welche Folgen hat der Bundesratsentscheid für Hamburg?

Die Beratung der Drucksache 740/17 erfolgte im Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz am 9. April 2018 und wurde bis zum Wiederaufruf vertagt. Eine Befassung im Bundesrat erfolgte bisher nicht. Im Übrigen hat sich der Senat damit nicht befasst.