SKA: Atomtransporte durch Hamburg (XIX)

Stephan Jersch

Zum 19. Mal muss die LINKE fragen, damit wenigstens einer die brisanten Daten dauerhaft vorhält: Die zuständigen Stellen speichern diese angeblich nur drei Monate. Im Übrigen ist ein Ende der Atomtransporte nicht in Sicht, jedenfalls nicht nach Kenntnis des Senates.

24. Januar 2020

 Schriftliche Kleine Anfrage
der Abgeordneten Stephan Jersch und Norbert Hackbusch (DIE LINKE) vom 16.01.2020
und Antwort des Senats
- Drucksache 21/19760 -

Betr.:    Atomtransporte durch Hamburg (XIX)

Laut Senatsauskünften (zuletzt in der Drs. 21/18649) sind in den ersten zehn Monaten 2019 schon wieder circa 120 Atomtransporte, darunter 67 mit Kern-brennstoffen, nachweisbar durch unsere Stadt gegangen. Und das trotz Stilllegungen deutscher Atomkraftwerke vor Jahren und der Verkündung des freiwilligen Verzichts auf den Umschlag von Kernbrennstoffen im Hamburger Hafen durch die letzten dabei tätigen Unternehmen am 2. April.
Diese Zahl zeigt immer noch: Hamburgs Hafen ist nach der im Mai 2014 in der Bürgerschaft abgelehnten Teilentwidmung für Atomtransporte (vergleiche Drs. 20/11317) also weiterhin ein Drehkreuz im internationalen Atomgeschäft, unter anderem zur Versorgung von AKWs.

Uranoxide, das extrem giftige und ätzende Uranhexafluorid, unbestrahlte (neue) Brennelemente oder andere Produkte im Zusammenhang mit der Nut-zung der Atomtechnologie werden weiterhin umgeschlagen und/oder durch das Hamburger Stadtgebiet transportiert, statistisch mehrfach pro Woche.

Zwar gibt der Senat nach § 1 der Verschlusssachenanweisung für die Behör-den der Freien und Hansestadt Hamburg (HmbVSA) vom 1. Dezember 1982 im Voraus keine Auskunft zu Kernbrennstofftransporten, da Informationen über zukünftige Kernbrennstofftransporte aus Sicherheitsgründen bundesweit als „Verschlusssache/nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft sind; aber wenigstens Angaben zu bereits durchgeführten Transporten und zu der Umweltbehörde vorliegenden gültigen Genehmigungen für den Transport
radioaktiver Stoffe sind aus den seit Jahren immer wieder aus der Fraktion DIE LINKE gestellten diversen Anfragen, zuletzt in der Mitte Oktober beantworteten Drs. 21/18649, für die interessierte Öffentlichkeit ablesbar.

Um weiterhin möglichst vollständige Zahlen über Anzahl, Art und Umfang der Atomtransporte zumindest durch Hamburgs Hafen öffentlich verfügbar zu machen, werden aus der Fraktion DIE LINKE hier zum nunmehr 39. Mal dem Senat umfassend Fragen zum Themenkomplex gestellt.

Wir fragen also den Senat,

bezogen auf Transporte von Kernbrennstoffen und sonstigen radioaktiven Stoffen in und aus dem Hamburger Hafen sowie durch das Hamburger Stadtgebiet ab dem 16.10.2019 bis zum Zeitpunkt der Bearbeitung dieser Schriftlichen Kleinen Anfrage:
(Bitte die Tabellen in der Anlage zur Drs. 21/18649 für alle Transporte entsprechend fortführen.)

1.    Wann erfolgten Transporte von Kernbrennstoffen und sonstigen radioaktiven Stoffen (bitte Datum des Eingangs beziehungsweise Ausgangs soweit vorhanden)?

2.    Um welche beförderten Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffe handelte es sich dabei jeweils?

3.    In welchem Umfang und welcher Menge sind Kernbrennstoffe und sonstige radioaktive Stoffe jeweils transportiert worden (bitte Angabe im passenden Maß)?

4.    Wie hoch war die jeweilige Aktivität der Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffe (bitte Angabe im passenden Maß)?

5.    Wie wurden die Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffe jeweils klassifiziert?

6.    Welche Art von Behältern wurde zum Transport der Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffe jeweils verwendet (bitte genaue Typenkennung der Behälter angeben)?

7.    Welche Beförderungsmittel (zum Beispiel Schiff, Bahn oder Lkw) wurden zum Transport der Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffe jeweils verwendet?

8.    Wo wurden die Kernbrennstoffe jeweils umgeladen?

9.    Wie lange wurden die Kernbrennstoffe jeweils gelagert?

10.    Wer war der jeweilige Absender (Firma mit Ortsangabe) der Kernbrennstoffe und welcher der Abgangshafen bei sonstigen radioaktiven Stoffen?

11.    Wer war der jeweilige Empfänger (Firma mit Ortsangabe) der Kernbrennstoffe und welcher (bei sonstigen radioaktiven Stoffe) der Zielhafen?

Zu den meldepflichtigen Kernbrennstofftransporten für den Zeitraum vom 16. Oktober 2019 bis zum 20. Januar 2020 siehe Anlage 1, zur Legende siehe Anlage 5.

Daten über die im Gefahrgut-Informations-System der Polizei (GEGIS) gemeldeten Transporte liegen nur für die jeweils letzten drei Monate vor. Die Transportvorgänge mit sonstigen radioaktiven Stoffen für den Zeitraum vom 17. Oktober 2019 bis zum 20. Januar 2020 sind in Anlage 2 zusammengefasst. Die Dauer des Umschlags sowie die Namen und Adressen der Absender und der Empfänger werden in GEGIS nicht erfasst.

 

12.    Am 10.10.19 wurde ein Transport von sechs Containern mit Uranerzkonzentrat vom Süd-West Terminal kommend auf dem Hafenbahnhof Hamburg Süd abgebrochen und die Waggons wieder zurück zu  C. Steinweg rangiert. Was ist der Grund für den Abbruch gewesen? Wann ist der Transport dann durchgeführt worden?

Nach Auskunft des Beförderers wurde bei dem in der Fragestellung erwähnten Transport von sechs Containern mit Uranerzkonzentrat durch den Wagenmeister des Rangierbahnhofs Hamburg Süd festgestellt, dass einer der sechs Container, die auf zwei Wagen verladen waren, nicht exakt im Laderaster auf dem Wagen stand. Um den Container korrekt auf dem Laderaster des Wagens positionieren zu lassen, wurden die Container zum Terminal C.Steinweg zurückbefördert. Nach Korrektur der Ladeposition verließ der Transport das Terminal C.Steinweg endgültig noch am selben Tag, dem 10. Oktober 2019.

 

13.    Am 16./17./18.12.19 erfolgten laut Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) Kernbrennstofftransporte aus Russland nach Lingen. Welche Informationen sind dem Senat über den Transport  bekannt (BfE gibt nur den Eintritt in deutsches Hoheitsgebiet an)? Sind diese Transporte über Hamburger Gebiet befördert worden?
Wenn ja: Welche Verkehrsträger wurden genutzt (Straße, Schiene, Schiff) beziehungsweise welcher Umschlagsort (zum Beispiel EURO-GATE)? Wenn per Schiff welches (Mikhail Lomonosov)?

Die in der Fragestellung genannten Transporte erfolgten nicht über Hamburger Gebiet, der zuständigen Behörde liegen dazu keine Erkenntnisse vor.

 

14.    In der Drs. 20/13644 führt der Senat aus, Umschlag von mit Luftfracht transportierten Kernbrennstoffen habe es in Hamburg seit vielen Jahren nicht gegeben. Über den Transport von sonstigen radioaktiven Stoffen per Luftfracht lägen dem Senat keine Informationen vor, da die Zuständigkeit für die Aufsicht für diesen Transportweg beim Luftfahrt-Bundesamt liegt.

In der Drs. 20/14621 führt der Senat aus, die Zuständigkeit für die Aufsicht über Transporte radioaktiver Stoffe auf bundeseigenen Eisenbahnstrecken liege beim Eisenbahn-Bundesamt.

Zuletzt in der Drs. 21/17740 gab der Senat Anfang Juli 2019 Überblick über Mängel bei der Kontrolle von Güterbeförderungseinheiten (CTU) im Zusammenhang unter anderem mit radioaktiven Stoffen der Klasse 7 für Schiffe und Lkws.

a.    Sind dem Senat für die Zeit danach solche bekannt?
Wenn ja, bitte mit Datum und möglichst konkreter Beschreibung der Mangelart und anderem wie in Anlage 3 zur Drs. 21/17740 aufführen.

b.    Sind dem Senat über diese hinaus auch Beanstandungen bei anderen Transportarten bekannt geworden?
Wenn ja, bitte möglichst in der Tabelle mit angeben.

Daten über die bei Kontrollen festgestellten Mängel im Zusammenhang mit dem Transport radioaktiver Güter für den Zeitraum vom 3.Juli 2019 bis zum 19.Januar 2020 (einschließlich) sind in der Anlage 3 zusammengestellt.

In diesem Zeitraum wurden durch die Polizei 325 Kontrollen im Zusammenhang mit dem Transport radioaktiver Güter auf Schiffen, auf der Straße und im Schienenverkehr durchgeführt. Davon verliefen 315 Kontrollen ohne Beanstandungen. Acht Kontrollen im Zusammenhang mit dem Beförderungsmittel  Schiff führten zu fünf Mängeln formaler und drei Mängeln sicherheitsrelevanter Art. Im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr wurden im Zuständigkeitsbereich der Polizei Hamburg zwei Mängel, davon ein formaler und ein sicherheitsrelevanter Mangel, in dem angegebenen Zeitraum festgestellt. Im Schienenverkehr wurde in dem angegebenen Zeitraum kein Mangel durch die Polizei Hamburg festgestellt.

Bezogen auf zukünftige Transporte von Kernbrennstoffen und sonstigen  radioaktiven Stoffen in und aus dem Hafen Hamburg sowie durch das Hamburger Stadtgebiet fragen wir soweit Meldungen vorliegen:

15.    Hat es seit Oktober 2019 bei der hamburgischen Genehmigungsbehörde (Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz) weitere Antragstellungen/Genehmigungen auf Zulassung zur Beförderung „sonstiger radioaktiver Stoffe“ gegeben beziehungsweise sind Zulassungen entfallen?
    Wenn ja, bitte die Unternehmen auflisten.

Es ist am 12. November 2019 eine Genehmigung für das DESY (Deutsches Elektronen Synchrotron) erteilt worden.

 

16.    Wie viele und welche gültigen Genehmigungen für den Transport radioaktiver Stoffe liegen der Umweltbehörde derzeit vor?
Bitte auflisten mit Genehmigungsnummer, Beginn und Ende der Genehmigungsdauer, maximal zulässige Transportzahl und Menge (in Kilogramm oder Tonnen), Absender und Empfänger, Transportmittel und Art des Stoffes sowie der Behälterbezeichnung.

In der Anlage 4 (zur Legende siehe Anlage 5) sind die zum Zeitpunkt dieser Anfrage der zuständigen Behörde vorliegenden Genehmigungen für Kernbrennstofftransporte aufgelistet. Darüber hinaus ist dort ebenfalls eine Genehmigung, die nur eine sehr kurze Gültigkeit Ende 2019 hatte, aufgelistet.  Weitere Angaben werden nicht erfasst. Auf die vom Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (ehemals Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit) regelmäßig aktualisierte Liste aller gültigen Transportgenehmigungen wird verwiesen: https://www.bfe.bund.de/SharedDocs/Downloads/BfE/DE/fachinfo/ne/transportgenehmigungen.html).

 

17.    In der Antwort auf die Frage 16. in der Drs. 21/17740, ob bis maximal 2021 noch Verträge zum Umschlag von Kernbrennstoffen zwischen Hamburger Hafenumschlagsunternehmen und Reedereien/Transporteuren laufen, teilte der Senat mit, „bei der HHLA bestehen unter den existierenden Verträgen keine Verpflichtungen mehr zum Umschlag von Kernbrennstoffen (...) Zu den vertraglichen Regelungen anderer Hafenunternehmen liegen keine Erkenntnisse vor.“

Liegen mittlerweile selbige vor beziehungsweise bemühte sich der Senat, und wenn ja wie, um Erkenntnisgewinn in dieser schon im Koalitionsvertrag von 2015 aufgeworfenen Frage?

Die in diesem Zusammenhang relevanten Hafenunternehmen haben erklärt, auf den Umschlag von Kernbrennstoffen im Hamburger Hafen freiwillig zu verzichten. Ihre Geschäftsverträge unterliegen den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Im Übrigen liegen keine neuen Erkenntnisse vor.

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