SKA: Berichterstattung über den Umgang mit Baggergut aus dem Hafen und der Delegationsstrecke Hamburgs (III): Fehlende Richtwerte und Transparenz bei der Bewertung von Schadstoffbelastungen

Stephan Jersch

„Persistente, bioakkumulierbare und toxische Stoffe” werden auf EU-Basis als „prioritär gefährliche Substanzen/Stoffgruppen“ eingestuft. Zu diesen gehören seit längerer Zeit unter anderem organische Schadstoffe wie Dioxine und Furane (PCDD/F 1 ), Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs) und Pentachlorbenzol. Obwohl all diese und weitere Substanzen im Baggergut aus dem Hafen und der Delegationsstrecke Hamburgs in teilweise erhöhten Konzentrationen nachgewiesen worden oder zu erwarten sind und derartiges Baggergut seit Jahren nach Neßsand und nun auch wieder in die

Nordsee umgelagert wird, hat Hamburg seit Jahren weder Richtwerte für diese Substanzen implementiert noch scheint man diese für entsprechend wichtig zu halten.

 

BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG
21. Wahlperiode

Drucksache 21/5271 | 22.07.16

Schriftliche Kleine Anfrage
des Abgeordneten Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 14.07.16 und Antwort des Senats

Betr.:
Berichterstattung über den Umgang mit Baggergut aus dem Hafen und der Delegationsstrecke Hamburgs (III): Fehlende Richtwerte und Transparenz bei der Bewertung von Schadstoffbelastungen

„Persistente, bioakkumulierbare und toxische Stoffe” werden auf EU-Basis als „prioritär gefährliche Substanzen/Stoffgruppen“ eingestuft. Zu diesen gehören seit längerer Zeit unter anderem organische Schadstoffe wie Dioxine und Furane (PCDD/F¹ ), Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs) und Pentachlorbenzol. Obwohl all diese und weitere Substanzen im Baggergut aus dem Hafen und der Delegationsstrecke Hamburgs in teilweise erhöhten Konzentrationen nachgewiesen worden oder zu erwarten sind und derartiges Baggergut seit Jahren nach Neßsand und nun auch wieder in die
Nordsee umgelagert wird, hat Hamburg seit Jahren weder Richtwerte für diese Substanzen implementiert noch scheint man diese für entsprechend wichtig zu halten. Dies geht aus den Reaktionen des Senats auf meine vorhergehenden Anfragen hervor (Drs. 21/3926 und 21/4912). In diesen hatte ich Fragen zu den jährlichen Teilberichten² der Hamburg Port Authority AöR (HPA) zu Umlagerungen von Baggergut nach Neßsand und dem dazugehörigen Regelwerk (fortan als „Übergangsregelung“³ bezeichnet) gestellt.

Da die Begründungen für die Haltung und das Handeln des Senats in Bezug auf Schadstoffbelastungen für mich nicht immer nachvollziehbar und teilweise fragwürdig sind und manche Antworten des Senats auf die Fragen weiterhin nicht oder wenig zur Transparenz in diesem Thema beitragen, haben sich weitere Fragen ergeben.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

Für den Umgang mit Baggergut existieren in Deutschland keine gesetzlichen Regelungen. Zwischen den handelnden/zuständigen Akteuren im Bund und den Ländern bestehen jedoch sowohl auf nationaler als auch regionaler Ebene Vereinbarungen, die als Leitlinie einer guten fachlichen Praxis zu verstehen sind. Der räumliche Geltungsbereich der gemeinsamen Übergangsbestimmungen zum Umgang mit Baggergut in Küstengewässern (GÜBAK) reicht innerhalb der Elbe von der Küste bis zum Freiburger Hafenpriel (Strom-km 683) herauf. Von dort bis zur Hamburger Landesgrenze sowie oberhalb des Hamburger Hafens finden die entsprechenden Empfehlungen der Handlungsanweisungen für den Umgang mit Baggergut im Binnenland (HABAB) 2000 Anwendung. Für den Delegationsbereich der Bundeswasserstraße Elbe, das heißt dem Abschnitt der Tideelbe zwischen den Strom-km 607,5 und Strom-km 638,9, sind die Vorgaben des gemeinsamen Handlungskonzeptes zur Umlagerung von Baggergut aus dem Hamburger Hafen in der Stromelbe maßgeblich.

In Anbetracht deutlich sinkender Schadstoffgehalte der Elbesedimente wurde Mitte der 1990er Jahre die Umlagerung von Baggergut im Strom als zusätzlicher Baustein des Sedimentmanagements eingeführt. Im Oktober 1996 beschlossen in diesem Zusammenhang die Umweltminister der deutschen Elbeanliegerländer Richtwerte für die Schadstoffbewertung. Diese Werte basieren auf den Empfehlungen zum Umgang mit belastetem Baggergut der Arbeitsgemeinschaft für die Reinhaltung der Elbe (ARGE Elbe) 1996. Hierauf aufbauend vereinbarten im Jahr 1998 die damalige Umwelt und die damalige Wirtschaftsbehörde Rahmenbedingungen für das Umlagern von Baggergut aus dem Hamburger Hafen in der Stromelbe. Geregelt im Hinblick auf ihre qualitative Umlagerungswürdigkeit wurden folgende anorganische und organische Schadstoffe: As, Pb, Cd, Cr, Cu, Ni, Hg, Zn sowie AOX, DDT und Metabolite, HCB, HCH-Isomere, PCB-Kongenere und TBT. Für polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und Mineralölkohlenwasserstoffe (MKW) wurden keine Werte festgeschrieben, da sie besondere Belastungsschwerpunkte (zum Beispiel im Umfeld von Raffinerien, als Folge von Kriegsschäden) aufwiesen, die keinem „Elbemuster“ folgten. Für polychlorierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane (PCDD/F) und PeCB wurden keine Werte festgeschrieben, da sie in den frischen Sedimenten aus dem Hamburger Hafen keine erhöhten Gehalte aufweisen (so liegen die Werte für PCDD/F zum Beispiel immer deutlich unter den Richtwerten für Kinderspielplätze).

Vor dem Hintergrund der Einführung verschiedener europäischer Richtlinien wie Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), Meeresstrategierahmenrichtlinie (MSRL), Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) sowie der Vereinbarung zwischen dem Bundesverkehrsministerium (BMVBS), dem Bundesumweltministerium (BMU), der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) sowie der Küstenländern (Mecklenburg-Vorpommern; Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen) über die GÜBAK war es erforderlich, das Hamburger Handlungskonzept aus dem Jahr 1998 zu überarbeiten. Dies ist mit der Übergangsregelung aus dem Jahr 2012 vollzogen worden. Eine Veränderung der Schadstoff-Parameterliste und der schadstoffspezifischen „Grenzwerte“ war nicht erforderlich. Seit November 2015 hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Überarbeitung der GÜBAK ihre Arbeit aufgenommen. Diese Arbeiten dauern derzeit an. Da die Vereinbarungen aus der GÜBAK auch inhaltliche Auswirkungen auf die Hamburger Regelungen haben werden, sind die Ergebnisse im Hinblick auf eine gegebenenfalls erforderliche Überarbeitung der Hamburger Übergangsregelung abzuwarten. Sowohl bei der Novellierung der GÜBAK als auch des Hamburger Handlungskonzeptes sind die fachlichen Erkenntnisse und formalen Empfehlungen der Flussgebietsgemeinschaft Elbe (FGG Elbe) beziehungsweise des Sedimentmanagementkonzeptes der Internationalen Kommission zum Schutz der Elbe (IKSE) der Jahre 2013/2014 zu beachten. Diese sehen Schwellenwerte für insgesamt 29 elberelevante anorganische und organische Schadstoffe vor.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Hamburg Port Authority AöR (HPA) wie folgt:

I.    Dioxine und Furane (PCDD/F)
Laut Antwort des Senats auf meine Schriftliche Kleine Anfrage (Drs. 21/4912) gibt es für PCDD/F im Baggergut, welches nach Neßsand umgelagert wird, keine Richtwerte. Die Einbeziehung dieses Parameters sei fachlich nicht für notwendig erachtet worden. Zudem würden Dioxine und Furane regelhaft im Schlick zur Landbehandlung untersucht und diskontinuierlich im Baggergut zur Umlagerung. Auch sei die Verteilung dieser Stoffgruppen umfassend in Sedimenten im Elbeeinzugsgebiet und der Elbmündung in einem Längsprofil zuletzt im Jahr 2008 untersucht und veröffentlicht⁴ worden. Hieraus sei keine besondere Belastungssituation für frisch abgelagertes Elbesediment im Hamburger Gewässerabschnitt erkennbar.

Andererseits werden diverse Verbindungen der Schadstoffgruppe PCDD/F auf EU-Ebene offiziell seit 2013 als „prioritär gefährliche Stoffe“ eingestuft. Auch ist das Gefahrenpotenzial von Dioxinen für die Umwelt und menschliche Gesundheit seit vielen Jahren gerade in Hamburg bekannt. Gleichzeitig liefern die vom Senat erwähnten Untersuchungen keine repräsentativen Daten. So stammen die „regelhaften Untersuchungen zur Landbehandlung“ nicht von Proben aus dem heterogenen Hafengebiet, sondern von vereinheitlichten und vorbehandelten

  • „Dekadenmischproben“ aus der METHA oder
  • Proben „je Entwässerungsfeld“ (Drs. 21/3926:15.a.).

Auch die Messwerte von 2008 aus der herangezogenen Längsprofil-Studie können nicht repräsentativ sein, denn sie stammen nur von

  • fünf Orten auf Hamburger Gebiet,
  • Orten entlang der Stromelbe, also spiegeln sie nicht die Belastung in den Hafenbecken wider,
  • Oberflächenproben, also von den oberen 12 cm im Sediment, die laut Teilberichten der HPA „für die Bewertung von Umlagerungsmaßnahmen ... nur begrenzt geeignet” sind,
  • einem einzelnen Jahr (2008), wobei ein jährlicher Vergleich von PCDD/F-Werten bei Bunthaus, im Südosten Hamburgs, auf signifikante jährlicheSchwankungen hinweist.

Eine Studie von 2008⁵ , welche von der HPA selbst in Auftrag gegeben worden war, listet einen Wert von 5,5 pg/g (WHO-TEQ 2005) für Schwebstoffe unter „potentielle Gefährdung durch Speisefische bei Überschreitung“, und eine weitere Studie⁶ berichtet von einem Richtwert („safe sediment value“) für PCDD/F im Sediment von 20 pg/g Trockensubstanzmasse (WHO-TEQ 2005). Mehr als die Hälfte der Kernproben „des vor Neßsand umgelagerten Materials“ in 2011 – 2013 überschritt selbst den höheren „safe sediment value“ (siehe Anlage 4 der Teilberichte). Beunruhigend ist in diesem Zusammenhang außerdem, dass in den Teilberichten von 2012 und 2013 nur für ungefähr ein Zehntel der untersuchten Kernproben Messresultate für PCDD/F angegeben wurden und im Teilbericht für 2014 gibt es keine PCDD/F-Resultate. Im Einklang mit fehlenden Richtwerten für PCDD/F in der GÜBaK⁷ werden auch in den Freigabeberichten für Hamburger Umlagerung in die Nordsee⁸ keine Messresultate von PCDD/F angezeigt. Auf die Lücke in der Behandlung und Berichterstattung des Dioxin-Problems in der Elbe und auch im Hafen Hamburgs wurde auch schon in diversen wissenschaftlichen Studien von Förstner⁹ hingewiesen.

1.    Auf welcher fachlichen, insbesondere naturwissenschaftlichen Basis wurden für PCDD/F keine Richtwerte in der Hamburger Übergangsregelung spezifiziert und wurde laut Antwort des Senats die Einbeziehung von PCDD/F „fachlich nicht für notwendig erachtet“?

    a. Sind Details zu der fachlichen/naturwissenschaftlichen Begründung publiziert?
         i. Wenn ja: Wie lauten die Quellendetails der relevanten Dokumente?
        ii. Wenn nein: Wie lauten die Inhalte der relevanten Dokumente?

Ja, siehe
elsa-elbe.de/assets/pdf/literatur/Dioxin_Langfassung_010311%20final.pdf,
elsa-elbe.de/assets/pdf/sedimentmanagementkonzept_fgg_final.pdf,
elsa-elbe.de/assets/pdf/Sedimentmanagementkonzept_IKSE.pdf sowie Sedimentuntersuchungen im Hamburger Hafen 1994/1995 und Ergebnisse aus dem Baggergutuntersuchungsprogramm Heft 6. Wirtschaftsbehörde, Amt Strom- und Hafenbau 1997.

    b. Wer ist diesbezüglich für die fachliche, insbesondere naturwissenschaftliche Beratungen herangezogen worden?

    c. Wer ist für die Entscheidung verantwortlich, keine Richtwerte für PCDD/F mit in die Hamburger Übergangsregelung aufzunehmen?

Die in den Übergangsregelungen zum Handlungskonzept „Umlagerung von Baggergut aus dem Hamburger Hafen in der Stromelbe“ (2012) betrachteten Parameter fußen auf dem Handlungskonzept „Umlagerung von Baggergut aus dem Hamburger Hafen in der Stromelbe“ aus dem Jahr 1998. Dieses wurde verhandelt und vereinbart von der damaligen Wirtschaftsbehörde (Amt Strom- und Hafenbau) und der damaligen Umweltbehörde (Amt für Umweltschutz). Mit Drs. 16/3080 wurde die Bürgerschaft vom Senat umfassend zum Sachverhalt in Kenntnis gesetzt.

Die fachlichen Grundlagen für den „Umgang mit belasteten Baggergut an der Elbe“ stammen zum einen von der damaligen ARGE Elbe (1996), das heißt den Vertreterinnen und Vertretern der wasserwirtschaftlichen Fachbehörden der deutschen Elbe-Anrainerländer. Außerdem wurde die fachliche Expertise der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG, Koblenz), die die Handlungsanweisung für den Umgang mit Baggergut im Küstenbereich (HABAK) 2000 sowie die HABAB 2002 erarbeitet hat, einbezogen.

2.    Wann und wo sind innerhalb der letzten zehn Jahre im Hafen und der Delegationsstrecke Hamburgs Messungen von PCDD/F in Kernbeprobungen und Oberflächenproben durchgeführt worden?
    a. Sind die Identifikationsdaten (Monat/Jahr, Geodaten, Tiefe (cm) und Art der Probenahme) und dazugehörige Messresultate von PCDD/F publiziert?
         i. Wenn ja: Wie lauten die Quellendetails der relevanten Dokumente?
        ii. Wenn nein: Wie lauten die Messresultate und dazugehörigen Identifikationsdaten?

Nein. In den letzten zehn Jahren wurden Untersuchungen zur Belastung von Sedimenten mit PCDD/F sowohl in den Hauptbaggergebieten der Landeshafengewässer als auch in der Delegationsstrecke durchgeführt. Die Einzelmessdaten wurden nicht veröffentlicht. Die Messergebnisse wurden in der Übersichtsstatistik in den Umlagerjahresberichten Neßsand veröffentlicht. Für die Analysenbefunde siehe Anlagen 1 und 2.

3.    Wie aus Anhang 4 des Teilberichts für 2012 zu ersehen ist, ist die Anzahl der Messdaten von Kernproben in 2011/2012 für PCDD/F weitaus geringer als für die meisten anderen Parameter, das heißt die statistische Zusammenfassung basiert auf zwölf Messdaten für PCDD/F im Gegensatz zu circa 90 für die meisten anderen Parameter.

    a. Wurde an allen circa 90 Kernproben eine Analyse für PCDD/F durchgeführt?
         i. Wenn ja:
            1. Warum werden nur zwölf Werte mit in die statistische Analyse einbezogen?
            2. Auf welcher fachlichen und insbesondere wissenschaftlichen Basis wurden die nicht benutzten Resultate nicht in die Analyse mit einbezogen?
        ii. Wenn nein:
            1. warum nicht?
            2. Auf welcher fachlichen und insbesondere wissenschaftlichen Basis wurde nicht in allen Kernproben nach PCDD/F analysiert?

Nein. Die Analysebefunde zeigen, dass sich in frischen, umzulagernden Sedimenten PCDD/F nicht verstärkt anreichern (siehe Anlagen 1 und 2). Das Verteilungsmuster der PCDD/F im Bereich des Hamburger Hafens durch den Eintrag von schwebstoffbürtigen Belastungen vom Oberstrom ist bekannt (siehe Antwort zu 1. a. ii.). Bei den vorgefundenen Gehalten an PCDD/F in den Hauptbaggergebieten lässt sich keine Steuerungsgröße für die Entscheidungsfindung bezüglich der Auswahl von Unterbringungs- oder Entsorgungsoptionen ableiten. Daher sind PCDD/F nicht Teil des untersuchten Standard-Parameterkatalogs, sondern werden diskontinuierlich überwacht. In begründeten Verdachtsfällen, wie zum Beispiel der Verbringung älterer, aufgrund ihrer Lage im Hafen potenziell mit PCDD/F belasteter Sedimente an Land, werden PCDD/F gegebenenfalls untersucht.

Siehe
elsa-elbe.de/assets/pdf/literatur/Dioxin_Langfassung_010311%20final.pdf,
elsa-elbe.de/assets/pdf/literatur/Schadstoffbelastung der Sedimente im Elbeeinzugsgebiet.pdf,
elsa-elbe.de/assets/pdf/literatur/Bewertung%20von%20Risiken%20im%
20Elbeeinzugsgebiet.pdf.

4.    Warum sind in der GÜBaK keine Richtwerte für PCDD/F festgelegt?

Hierüber liegen der zuständigen Behörde keine Informationen vor.

5.    Wurde in den Freigabekernbeprobungen für die Umlagerung in die Nordsee nach PCDD/F analysiert?

Bei den Freigabekernbeprobungen werden die PCDD/F nur diskontinuierlich an einzelnen Proben untersucht.

    a. Wenn ja: Wie lauten die Messresultate für die einzelnen Kerne?
    b. Wenn nein: warum nicht?

Siehe Anlage 2.

6.    Für wann plant der Senat, effektive Richtwerte und fachgerechte Messpläne von PCDD/Fs und anderen bisher ignorierten prioritären Substanzen zu implementieren, um den Auflagen der Wasserrahmenrichtlinie und Meeresstrategierahmenrichtlinie in Zukunft gerecht zu werden?

Sobald die Ergebnisse der GÜBAK-Novellierung vorliegen, können hierzu nähere Aussagen getroffen werden.

II. PAKs und Mineralölkohlenwasserstoffe (MKWs)

7.    Für PAKs und MKWs gäbe es laut Senat keine Richtwerte (Drs. 21/4912: 1. a.). Im Gegensatz zu dieser Hamburger Situation gibt es allerdings Richtwerte für die von der EU seit 2000 als „prioritär gefährlich“ eingestufte Stoffgruppe der PAKs 10 11 und auch für die MKWs. Diese sind in der HABAK-WSV 12 , der GÜBaK und auch ausländischen 13 Regelwerken zu finden. Vergleicht man die Messwerte von Kernproben 2011 – 2014 „des vor Neßsand umgelagerten Materials“ (Teilberichte: Anlage 4) mit den GÜBaK-Richtwerten für PAKs und MKWs, so bemerkt man, dass die unteren Richtwerte für PAKs und MKWs teilweise deutlich überschritten worden wären.

    a. Auf welcher fachlichen und insbesondere naturwissenschaftlichen Basis erachtet(e) der Senat es für gerechtfertigt, für Umlagerungen von derartig Schadstoffbelastetem Baggergut nach Neßsand, also unweit von diversen Natur- und Landschaftsschutzgebieten, in der Hamburger Übergangsregelung keine Richtwerte für PAKs und MKWs festzulegen?

    b. Sind Details zu den Erklärungen in der vorhergegangenen Frage publiziert?
         i. Wenn ja: Wie lauten die Quellendetails der relevanten Dokumente?
        ii. Wenn nein: Wie lauten die relevanten Inhalte der relevanten Dokumente?

Siehe Vorbemerkung.

    c. Wer ist diesbezüglich für die fachlichen und insbesondere naturwissenschaftlichen Beratungen mit Hinsicht auf Richtwerte für PAKs und MKWs vom Senat herangezogen worden?

    d. Wer ist für die Entscheidung verantwortlich, keine Richtwerte für PAKs und MKWs mit in die Hamburger Übergangsregelung von 2012 aufzunehmen?

Siehe Antwort zu 1. b. und c.

8.    In Antwort auf Frage 1. (Drs. 21/4912) weist der Senat darauf hin, dass im Falle von MKWs und PAKs nicht die singuläre Betrachtung erforderlich, sondern die „Gesamtbetrachtung des Belastungsniveaus“ fachlich notwendig sei und dass in diese Gesamtbetrachtung die Einzelwerte
einbezogen werden.

    a. Da die Gesamtbetrachtung einen scheinbar signifikanten Teil der Bewertung über Belastung durch PAKs und MKWs und die Umlagerungsberechtigung des Baggerguts ausmacht, wurde diese Form der Bewertung in der Übergangsregelung irgendwo erwähnt und beschrieben?
         i. Wenn ja: wo? Bitte die relevanten Textabschnitte angeben.
        ii. Wenn nein: warum nicht?

Siehe GÜBAK, Kapitel 4.

    b. Wie wird diese Gesamtbetrachtung in Hamburg durchgeführt, insbesondere wenn die Übergangsregelung für bestimmte Parameter keine Richtwerte für die Umlagerung nach Neßsand spezifiziert?

    c. Sind die Kriterien für die sogenannte Gesamtbetrachtung publiziert?
         i. Wenn ja: Wie lauten die Quellendetails der relevanten Dokumente?
        ii. Wenn nein: Wie lauten die Kriterien? Bitte konkret erläutern.

Siehe http://www.hamburg-port-authority.de/de/presse/studien-und-berichte/Documents/2016/Rahmen_Umlagern_2012_final.pdf.

    d. Wie wird bei dieser Gesamtbetrachtung ein objektives, konsistentes und transparentes Einbeziehen der Einzelwerte sichergestellt, insbesondere wenn es für diese Einzelwerte beziehungsweise deren Parameter keine Richtwerte für die Umlagerung nach Neßsand gibt?

Mit den Sedimentmanagementkonzepten der FGG Elbe (2013) sowie IKSE (2014) liegen national und international abgestimmte Vorgaben für die Erfassung und Bewertung von elbetypischen partikulären anorganischen und organischen Schadstoffen vor.

III. Pentachlorbenzol

9.    Pentachlorbenzol wird seit dem Jahr 2000 auf EU-Ebene als „prioritär gefährlicher Stoff“ eingestuft, und entsprechend enthalten die HABAK-WSV und GÜBaK für dieses Pestizid einen unteren und einen oberen Richtwert. So ist festzustellen, dass selbst der obere GÜBaK-Richtwert in einigen der Messungen an Kernproben 2011 – 2014 „des vor Neßsand umgelagerten Materials“ überschritten wird (siehe Anlage 4 der Teilberichte). Laut Antwort des Senats auf meine Anfrage gäbe es für Pentachlorbenzol jedoch keine Richtwerte in der Hamburger Übergangsregelung und die Einbeziehung dieses Parameters sei „fachlich nicht für notwendig erachtet“ worden (Drs. 21/4912: 3.).

    a. Auf welcher fachlichen, insbesondere naturwissenschaftlichen Basis wurden für Pentachlorbenzol keine Richtwerte in der Hamburger Übergangsregelung spezifiziert und laut Antwort des Senats die Einbeziehung von Pentachlorbenzol „fachlich nicht für notwendig erachtet“?

Pentachlorbenzol weist keine deutlich anderen Verteilungsmuster als die übrigen Chlororganischen Parameter auf, die im Handlungskonzept Umlagerung von Baggergut aus dem Hamburger Hafen in der Stromelbe betrachtet werden. Die vorgefundenen Gehalte an Pentachlorbenzol in den Sedimenten des Hamburger Hafens weisen keine Größenordnung auf, die diesen Parameter zu einer relevanten Steuergröße für die Verbringung von Baggergut machen könnte.

        i. Sind Details zu der fachlichen/naturwissenschaftlichen Basis publiziert?
           1. Wenn ja: Wie lauten die Quellendetails der relevanten Dokumente?
           2. Wenn nein: Wie lauten die Inhalte der relevanten Dokumente?

    b. Wer ist diesbezüglich für die fachliche, insbesondere naturwissenschaftliche Beratungen herangezogen worden?

    c. Wer ist für die Entscheidung verantwortlich, keine Richtwerte für Pentachlorbenzol mit ins die Hamburger Übergangsregelung aufzunehmen?

Siehe Antwort zu 1. b. und c.

Anlage 1
Analysen für Umlagerung nach Neßsand (Sedimentkernbeprobung mit dem Kolbenlot, Tiefe 0-100cm)

und

Anlage 2
Analysen für Verbringung Nordsee/Tonne E3 (Sedimentkernbeprobung mit dem Kolbenlot, Tiefe 0-100cm)

siehe unten verlinktes Bürgerschaftsdokument

___________________________________

Fußnoten

1    Summe der Polychlorierten Dibenzo-p-dioxine/Dibenzofurane.

2    HPA. Hafeninfrastruktur Wasser (2015). Umgang mit Baggergut aus dem Hamburger Hafen. Teilbericht. Umlagerung von Baggergut nach Nesssand. Bericht über den Zeitraum 1.1. bis 31.12. 2014: 28 Seiten. Entsprechend die Teilberichte für 2013 und 2012. Webseite der HPA.

3    HPA & Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (2012). Übergangsregelung zum Hand-
lungskonzept Umlagerung von Baggergut aus dem Hamburger Hafen in der Stromelbe. Web-
seite der HPA.

4   Umlauf et al. (2011). Dioxins and PCBs in solid matter from the River Elbe, its tributories and
the North Sea (longitudinal profile, 2008).

5    Heise et al. (2008). Bewertung von Risiken durch feststoffgebundene Schadstoffe im Elbeein-
zugsgebiet.

6    Evers et al. (1996). Levels, temporal trends and risk of dioxins and related compounds in the
Dutch aquatic environment.

7    Gemeinsame Übergangsbestimmung zwischen Bund und Küstenländern zum Umgang mit
Baggergut in den Küstengewässern (August 2009). Webseite der Bundesanstalt für Gewäs-
serkunde.

8    Zum Beispiel HPA (2016). Umgang mit Baggergut aus dem Hamburger Hafen Analyse der
Sedimente aus dem Köhlbrand zur Verbringung in die Nordsee Sommer 2016. Webseite der
HPA.

9    Siehe unter anderem Förstner (2016). Dioxin und Sedimentaltlasten im Elbeeinzugsgebiet unter der WRRL 2000 – 2015 – Kontroversen zwischen Behörden und Fachwissenschaften.
Deutsche Anlage im Internet zu: Förstner et al. (2016). Dioxin in the Elbe river basin: policy and science under the water framework directive 2000-2015 and toward 2021.

10    Anonym (2000). Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik.

11 Anonym (2013). Richtlinie 2013/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.
Aug. 2013 zur Änderung der Richtlinien 2000/60/EG und 2008/105/EG in Bezug auf prioritäre Stoffe im Bereich Wasserpolitik.

12    Bundesanstalt für Gewässerkunde (1999): Handlungsanweisung zur Anwendung der Baggergut-Richtlinien der Oslo- und der Helsinki- Kommission in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (HABAK- WSV).- BfG-1100, 2. überarbeitete Fassung.

13    Röper & Netzband (2011). Assessment criteria for dredged material with special focus on the North Sea region.