SKA: Preisgarantie für Fernwärme im zentralen Fernwärmenetz Hamburgs

Stephan Jersch

Die rekommunalisierte Fernwärmeversorgung soll zu keinen Preissteigerungen für Mieterinnen und Mieter führt, die über die sonstige Marktentwicklung hinausgehen, so der Senat.

2. November 2018
Schriftliche Kleine Anfrage
des Abgeordneten Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 25.10.18
und Antwort des Senats
- Drucksache 21/14778 -

Betr.:    Preisgarantie für Fernwärme im zentralen Fernwärmenetz Hamburgs

In einer Regierungserklärung am 17. Oktober 2018 zum Rückkauf des zentralen Hamburger Fernwärmesystems sprach der Erste Bürgermeister, Dr. Peter Tschentscher, von einer „Preisgarantie für die Bürgerinnen und Bürger“ und erklärte, der Senat habe darauf geachtet, „dass die wirtschaftlichen Folgen des neuen Fernwärmekonzepts zu keiner Preissteigerung für die Mieterinnen und Mieter führt, die über die sonstige Marktentwicklung hinausgeht. Das habe ich persönlich gegenüber allen Beteiligten zu einer zentralen Bedingung gemacht, und das ist die Geschäftsgrundlage für alle weiteren Planungen.“

In Drs. 21/14636 (16.10.2018) nennt der Senat „einen Kohleausstieg bei der Wärmeherstellung und einen Ersatz des Heizkraftwerkes Wedel zu wirtschaftlichen Bedingungen und ohne Preissteigerungen, die über die sonstigen Entwicklungen im Energie- bzw. Wärmemarkt hinausgehen“.

In verschiedenen Medien-Berichten wurde diese „Preisgarantie“ des Ersten Bürgermeisters so interpretiert, dass die Kosten für Fernwärmekunden nicht stärker steigen dürften als dies bei anderen Energieträgern der Fall wäre.
Senator Jens Kerstan sprach konkreter von einem Preisanstieg der Fernwärme bis 2030 um 10 Prozent. Das entspreche der Preisentwicklung auf dem Wärmemarkt.¹

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

Das Unternehmenskonzept für die künftige Wärmegesellschaft der Stadt ist darauf ausgelegt, dass die schrittweise Umstellung in der Fernwärmeversorgung zu keinen Preissteigerungen für Mieterinnen und Mieter führt, die über die sonstige Marktentwicklung hinausgehen. Dies soll u.a. durch eine kostengünstige Produktion der Fernwärme zum Beispiel durch Nutzung der Abwärme aus den Müllverbrennungsanlagen sichergestellt werden.
Dies vorausgeschickt beantwortet der Senat die Fragen, teilweise auf Grundlage von Auskünften der Vattenfall Wärme Hamburg GmbH (VWH), wie folgt:

1. Welche witterungsbereinigten jährlichen Wärmepreise sind gegenwärtig für eine an das zentrale Hamburger Fernwärmenetz angeschlossene durchschnittliche Mietwohnung zu bezahlen?

Die VWH schließt ihre Verträge direkt mit den Gebäudeeigentümern. Die Liefergrenze ist die Hausübergabestation. Hier werden auch die jährlichen Wärmeverbräuche gemessen und abgerechnet. Die Umlage auf einzelne Wohnungen ist in der Verantwortung der Gebäudeeigentümer. Insofern sind Aussagen zu einzelnen Wohnungen nicht möglich. Zu den Preisblättern für die Wärmeversorgung siehe:

https://wärme.vattenfall.de/hamburg/produkte/preissystem.

 

2. Wie sieht der Heizkostenvergleich zwischen Heizöl, Erdgas, Pellets, Wärmepumpenstrom und Fernwärme in Hamburg bei Vollkostenrechnung nach VDI 2067 oder einer ähnlichen Vergleichsart gegenwärtig aus und wie hat er sich seit 2000 entwickelt?

Dem Senat liegen zu Vollkostenvergleichen keine entsprechenden Zahlen vor.

 

3. Auf welche konkrete „Marktentwicklung“ bezieht sich die Preisgarantie der Regierungserklärung?

Preisanpassungen der neuen Gesellschaft sollen so gestaltet werden, dass die Entwicklung der Preise der Fernwärmelieferung nicht über die Preisentwicklung anderer Wärmelieferungen hinausgeht.
Siehe dazu auch Drs. 21/14636.

 

4.    Ist die Preisgarantie der Regierungserklärung, die sich auf die „Marktentwicklung“ bezieht, gleichbedeutend mit einer Garantie, die sich auf einen Vergleich mit anderen Energieträgern bezieht?
Wenn nein: Wo liegen die Unterschiede?

Ja.

 

5. Nach welchem Regelwerk oder Verfahren (wie beispielsweise der Vollkostenrechnung nach VDI 2067) und mit welchen Messgrößen soll die Preisgarantie überprüft werden?

Schon jetzt lassen sich die Fernwärmepreise durch die Kunden transparent nachvollziehen. Dazu dient bei mehrjährigen Wärmeversorgungsverträgen die Preisänderungsklausel. In den Preisänderungsklauseln werden Indizes und Preise des Statistischen Bundesamtes, Preisnotierungen des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle sowie Indizes und Preisnotierungen von der European Energy Exchange verwendet.

 

6. Wie soll bei einem Monitoring der Preisgarantie berücksichtigt werden, dass sich die Heizkosten für Heizöl, Erdgas, Pellets und Wärmepumpenstrom zeitlich unterschiedlich entwickeln?

Dazu wird nach Übernahme ein geeignetes Monitoringinstrument entwickelt werden.

 

7. Gilt die Preisgarantie nur für Mieterinnen und Mieter oder auch für Geschäftskunden (entsprechend „Preisgarantie für die Endverbraucherinnen und -Verbraucher“ nach Drs. 21/14636)?

Die Preisgarantie gilt für alle Fernwärmekunden. Eine Geschäftsbeziehung zu Mieterinnen und Mietern besteht in aller Regel nicht.

 

8. Wie sollen unterschiedliche Gebäudearten und Wohnungsgrößen bei Überprüfungen der Preisgarantie berücksichtigt werden?

Siehe Antworten zu 5. und 6. 

 

9.    Im Hinblick auf fortlaufende bauliche Energieeinsparmaßnahmen ist zu fragen: Gilt die Garantie für die Wärmekosten pro Quadratmeter Wohnfläche in Wohnungen, in denen zwischen dem jetzigen Zeitpunkt und dem Überprüfungszeitpunkt keine Energieeinsparmaßnahmen erfolgt sind?
Wenn nein: Wie wird die Tendenz zu sinkenden Wärmebedarfen berücksichtigt?

Nein. Die Preisgarantie wird sich auf einen Wärmepreis Ct/kWh beziehen. Im Übrigen siehe Antwort zu 3. 

 

10. In welchen zeitlichen Abständen soll die Preisgarantie überprüft werden (Monitoring-Zeitpunkte)?

11.    Von wem sollen diese Überprüfungen vorgenommen werden?

Siehe Antwort zu 6.

 

12. Welche Randbedingungen wie Inflationsbereinigung und Witterungsbereinigung gelten für den von Senator Kerstan angegebenen Preisanstieg der Fernwärme um 10 Prozent bis 2030?

Siehe Vorbemerkung.

 

13. Auf welche Weise kann und soll sichergestellt werden, dass die Preisgarantie in Zukunft auch von einem anderen Senat als dem gegenwärtigen beachtet werden wird?

14.    Ist zur Sicherstellung einer längerfristigen Preisgarantie beispielsweise eine gesetzliche Regelung vorgesehen?
Wenn nein: Welche andere Regelungsform sieht der Senat vor?

Der Senat verantwortet die abgegebene Preisgarantie. Eine gesetzliche Regelung ist nicht vorgesehen. 

 

15. Wird die Preisgarantie dem zukünftigen städtischen Fernwärmeunternehmen als Geschäftsgrundlage vorgegeben werden?

Die in der Antwort zu 3. beschriebene Prämisse ist Bestandteil des Unternehmenskonzepts der neuen städtischen Gesellschaft.

 

16.    Bei dem von der BUE entwickelten technischen Konzept, das gemäß Drs. 21/14636 „einen schrittweisen Kohleausstieg bei der Fernwärmeversorgung ermöglicht“ wird von vielen Seiten, beispielsweise vom
Industrieverband Hamburg e.V. (IVH)2, stark bezweifelt, ob es „gleichwohl keine Preissteigerungen begründet, die über die allgemeine Entwicklung im Energiemarkt hinausgehen“. Dieses Konzept enthält eine schwere Kostenbelastung für eine elbunterquerende Fernwärmetrasse, deren Kosten in Drs. 21/14636 mit rund 120 Millionen Euro angegeben werden. Dazu kommt, dass nach früheren Erfahrungen mit ähnlichen Trassenprojekten noch erhebliche Kostensteigerungen zu erwarten sind. Auf welche Art und Weise kann der Senat das künftige städtische Fernwärmeunternehmen finanziell entsprechend entlasten, wenn von diesem Unternehmen die Preisgarantie wegen hoher Kosten für die von der Behörde für Umwelt und Energie geplante „Südvariante“ nicht umgesetzt werden kann?

Eine finanzielle Entlastung des Unternehmens ist auf der Grundlage des städtischen Unternehmenskonzepts und der vorgelegten Planungen des Senats nicht erforderlich. 

 

¹ https://www.welt.de/regionales/hamburg/article181950186/Umweltweltsenator-Kerstan-Das-Fernwaermenetz-wird-Gewinn-abwerfen.html

² https://www.hamburg1.de/sendungen/4/5051/100_Netzrueckkauf_Wie_geht_es_weiter.html