SKA: Ungeklärte Abwässer in der Elbe

Stephan Jersch

Der Starkregen Ende Juni brachte das Hamburger Klärwerk zum Überlaufen, flüssiger Unrat - insbesondere Fettklumpen mit Schmutzanhaftungen - schwammen daraufhin auf der Elbe und verklebten das Nordufer der Elbe mit seinen Stränden. Laut Senat fließen umgerechnet an rund 8 von 365 Tagen ausschließlich ungeklärte Abwässer in die Elbe - dennoch plant der Senat keine Maßnahmen, um dieser Gewässerverschmutzung abzuhelfen.

1. August 2017

Schriftliche Kleine Anfrage


des Abgeordneten Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 25.07.17


und Antwort des Senats


- Drucksache 21/9931 -

 

Betr.: Ungeklärte Abwässer in der Elbe

Nach dem Starkregenereignis Anfang Juli kam es am Elbstrand auf mehreren Kilometern Länge zu Verunreinigungen mit festen Abwasserbestandteilen, die laut Presse vermutlich aus dem Klärwerk Köhlbrandhöft stammten. Die Leistungsfähigkeit des Klärwerks beziehungsweise des angeschlossenen Sielnetzes sei durch den hohen Anfall von Regenwasser überfordert gewesen.

In den 1990er-Jahren wurde das „Elbe Entlastungsprogramm“ mit dem Ziel entwickelt, die Mischwasserüberläufe in die Elbe auf 20 Prozent zu verringern und Verschmutzungen des Elbe-Nordufers infolge von Regen zu vermindern.

Nach einer Studie des Deutschen Wetterdienstes aus dem Jahr 2015 muss Hamburg sich zukünftig auf eine zunehmende Häufigkeit von Starkregen-Ereignissen einstellen.

In Hamburg werden pro Tag durchschnittlich rund 400.000 Kubikmeter Abwasser in der zentralen Kläranlage gereinigt. Die Anlage kann bei Regen täglich bis zu 1,2 Millionen Kubikmeter aufnehmen und reinigen. Das Sielnetz in Hamburg hat eine Speicherkapazität von rund 570.000 Kubikmetern im Mischwassersiel. Bei so genannten Starkregenereignissen kann es zu einer hydraulischen Überlastung des Sielnetzes und der Kläranlage kommen, so dass teilgereinigtes Abwasser oder durch Regenwasser verdünntes Abwasser (Mischwasser), insbesondere in die Elbe geleitet werden muss, um Straßen- und Kellerüberflutungen zu vermeiden. Die Notentlastungen in die Elbe sind für das Hamburger Gebiet durch wasserrechtliche Zulassungen geregelt. Aufgrund der Umsetzung umfangreicher Maßnahmen des Gewässerschutzes werden heute nur noch rund 2,3 % der insgesamt auf dem Klärwerk behandelten Abwassermenge bei Starkregen aus dem Mischsystem in die Gewässer geleitet.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen, teilweise auf der Grundlage von Auskünften von HAMBURG WASSER (HW), wie folgt:

1. Wann in den letzten zehn Jahren wurden Abwässer un- oder teilbehandelt in die Elbe geleitet, welche Klärwerke beziehungsweise welche Sielnetze waren jeweils beteiligt und um welche Mengen ging es dabei jeweils?

In den letzten zehn Jahren kam es jährlich zu Notentlastungen von Mischwasser oder teilbehandeltem Abwasser aus dem Sielnetz und dem Klärwerk in Hamburg. Für die Jahre vor 2011 liegen keine aufbereiteten Daten für die Entlastungen aus den am Nordufer der Elbe gelegenen 16 Mischwasserüberläufen vor und können auch nicht nachträglich rekonstruiert werden. Für 2017 liegen noch keine Auswertungen dieser Entlastungen vor, da diese nur jahresweise, nach Abschluss des Jahres, ermittelt werden. Bezogen auf die in der Kläranlage pro Jahr gereinigte Abwassermenge der Jahre 2011 bis 2016 betrugen die Einleitungen von Mischwasser aus Notüberläufen aus dem Sielnetz oder teilbehandeltem Abwasser aus Notauslässen der Kläranlage in die Elbe zwischen 0,7 und 2,2 % und können der nachstehenden Tabelle entnommen werden:

Jahr

2011

2012

2013

2014

2015

2016

gereinigte Abwassermenge in Mio. Kubikmeter

146,7

138,7

139,1

136,4

157,0

156,1

Abschläge in Mio. Kubikmeter

2,95

0,98

3,04

2,63

3,11

2,08

Prozentualer Anteil der Abschläge

2,0 %

0,7 %

2,2 %

1,9 %

2,0 %

1,3 %


2. Gibt es weitere Anlagen, die in den letzten zehn Jahren un- oder teilbehandelte Abwässer in die Elbe oder ihre Vorfluter abgeleitet haben?

Wenn ja: Welche waren dies, um welche Mengen handelte es sich jeweils und wo konkret wurden diese Abwässer eingeleitet?

Nein.

3. Einleitungen welcher Mengen un- oder teilgeklärter Abwässer in die Elbe oder deren Vorfluter sind aktuell zulässig? Bitte die entsprechende/n Rechtsgrundlage/n nennen.

Rechtsgrundlage für die Einleitung von Mischwasser sind die Wasserrechtlichen Erlaubnisse auf der Grundlage der §§ 8, 10, 13 und 18 des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts (WHG) sowie des Hamburgischen Wassergesetzes (HWaG). Diese umfassen keine mengenmäßigen Begrenzungen der Einleitungen von Mischwasser bei Starkregenereignissen, die die hydraulische Leistungsfähigkeit des Mischsiels überschreiten.

In der Wasserrechtlichen Erlaubnis für den Klärwerksverbund Köhlbrandhöft / Dradenau ist festgelegt, dass bei Regenwetter die Reinigung des Abwassers über das Klärwerk Dradenau bis zu einer Menge von QRW = 12 m³/s, 43.200 m³/h und 720.000 m³/d sicherzustellen ist. Bei Starkregenereignissen, die zu einer Überschreitung dieser festgelegten Abwassermenge führen, kann Abwasser über vier Notauslässe in die Elbe abgeschlagen werden. Die jeweiligen Abschlagsmengen bzw. Schmutzwasserfrachten sind nach dem Stand der Technik so gering wie möglich zu halten.

4. Muss HAMBURG WASSER (HW) im Vorfeld solcher Einleitungen die BUE über die Maßnahme informieren beziehungsweise wann erfolgt eine Information und an wen?

Nein, HW muss die BUE nicht informieren. Jedoch ist es geübte und bewährte Praxis, dass HW die BUE bei extremen Ereignissen unverzüglich informiert, wie zuletzt beim Ereignis am 29./30. Juni 2017.

Es erfolgt entsprechend der Auflagen aus den Wasserrechtlichen Erlaubnissen eine nachträgliche Information im Rahmen der o. g. Jahresberichte zur „Eigenüberwachung im Rahmen der Wasserrechtlichen Erlaubnisse für Sonderauslässe“ an die BUE.

Darüber hinaus sind der BUE Berichte über außergewöhnliche Vorkommnisse vorzulegen, wenn sie nennenswerte Auswirkungen auf den Zustand der Gewässer haben können.

5. Hat HW ein Informationssystem, das die Bevölkerung über solche Ereignisse im Push-Verfahren informiert (zum Beispiel SMS, App oder Ähnliches)?

Wenn nein: warum nicht?

Wenn ja: Welche Systeme sind dies?

Bislang besteht kein Bedarf für ein solches Frühwarnsystem. Ein solches könnte zudem auch nur Hinweise auf bevorstehende starkregenbedingte Mischwasserentlastungen, nicht jedoch auf mögliche, spezifische Austräge geben.

6. Welche Regenmengen sind nach den bisherigen Erfahrungen notwendig, um einen Zustand wie den vom letzten Wochenende herbeizuführen?

7. Wie oft gab es solche Starkregen-Ereignisse in den vergangenen zehn Jahren und mit welcher Zunahme solcher Ereignisse wird im Rahmen des Klimawandels bis 2050 gerechnet?

Ursache des Austrags von Fettstoffen am 29./30. Juni 2017 sind Fetteinleitungen aus Haushalten und Gewerbe in das Mischsielnetz.

Bei dem am 29./30. Juni 2017 aufgetretenen Regenereignis handelte es sich um einen lang anhaltenden Starkregen mit Niederschlägen von ca. 44 mm in 24 h. Dies entspricht einer statistischen Wiederkehrzeit von ca. drei Jahren. Durch diese Regenintensität wurden die in das Mischsielnetz eingeleiteten Fette bei den aufgetretenen Mischwasserüberläufen in die Elbe ausgetragen.

Untersuchungen von HW deuten darauf hin, dass vergleichbare Starkregen bis zum Jahr 2050 um etwa 5 % häufiger auftreten könnten.

8. Welche Maßnahmen plant der Senat, um zukünftig die Einleitung un- oder teilbehandelter Abwässer in die Elbe über das zulässige Maß hinaus zu verhindern?

Es bestehen keine Mischwassereinleitungen von HW, die über das wasserrechtlich zulässige Maß hinausgehen, siehe dazu auch Vorbemerkung und Antwort zu 3.

Das Projekt RISA (RegenInfraStrukturAnpassung) dient in Hamburg als Wegweiser für eine wassersensible Stadtentwicklung. Wesentliches Ziel ist es, zusätzlich anfallendes Regenwasser zukünftig nur noch im Ausnahmefall in Sielen abzuleiten. Stattdessen soll Regenwasser ortsnah bewirtschaftet, Regenwasserabfluss möglichst vermieden und insbesondere im Starkregenfall verzögert werden.

Eine Abflussvermeidung kann z. B. die Abkopplung der Dachentwässerung vom Entwässerungssystem durch Rückhalt und Versickerung sein. Eine Abflussverzögerung wird erreicht, wenn oberflächlich abfließendes Regenwasser schadlos zeitweilig zwischengespeichert und erst später abgeleitet wird. Zur kurzfristigen und schadlosen Rückhaltung können Flächen unterschiedlicher Nutzung nach einer entsprechenden Profilierung mitbenutzt werden.

Die Umsetzung von Maßnahmen im Sinne von RISA trägt zur Entlastung der bestehenden Entwässerungsinfrastruktur bei.