SKA: Da war er wieder, der geheime 10.000er-Vertrag oder: „Ich weiß was, was Du nicht weißt und deshalb hab’ ich Recht!“

Stephan Jersch

Der geheime 10.000er-Vertrag liegt im Transparenzportal - leider so transparent, dass er unlesbar ist.

30. Januar 2018

Schriftliche Kleine Anfrage

des Abgeordneten Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 22.01.2018

und Antwort des Senats

- Drucksache 21/11721-

 

Betr.: Da war er wieder, der geheime 10.000er-Vertrag oder: „Ich weiß was, was Du nicht weißt und deshalb hab’ ich Recht!“

Es vergeht keine Ausgabe des zentralen Mitteilungsblatts des Landesbundes der Gartenfreunde Hamburg (LGH) ohne einen Bezug auf den sogenannten 10.000er-Vertrag. Der Vorsitzende des LGH, Herr Dirk Sielmann, beruft sich auf diesen Vertrag mit der Freien und Hansestadt Hamburg, der auf seinen Wunsch hin unveröffentlicht bleibt, um seine Politik zu rechtfertigen. Angesichts der durch den LGH selbst verursachten Intransparenz wird es im Sinne der Kleingärtnerinnen und Kleingärtner Mal für Mal notwendiger die postulierten Tatbestände zu hinterfragen.

In den beiden Ausgaben des „Gartenfreund“ vom Dezember 2017 beziehungsweise Januar 2018 bezieht sich der langjährige Vorsitzende des LGH erneut auf den 10.000er-Vertrag, in dem er diesen als Beweis für die Interessenvertretung der Kleingärtnerinnen und Kleingärtner (unveröffentlicht) anführt.

Auf diesem Hintergrund frage ich den Senat:

Der sogenannte „10.000er-Vertrag“ ist, wie auch das Eckpunktepapier II, seit September 2017 im Transparenzportal veröffentlicht und für jede Bürgerin und jeden Bürger einsehbar.

Siehe dazu: http://daten.transparenz.hamburg.de/Dataport.HmbTG.ZS.Webservice.GetRessource100/GetRessource100.svc/573c6e4c-26d6-4a87-9677-3a771ef0fa28/Akte_FB4.7.30.001-000_0017.pdf

http://daten.transparenz.hamburg.de/Dataport.HmbTG.ZS.Webservice.GetRessource100/GetRessource100.svc/0a98722b-c32e-4b24-bbed-58d76bc20dee/Akte_FB4.7.30.001-000_0017.pdf .

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen, teilweise auf der Grundlage von Auskünften des Landesbundes der Gartenfreunde in Hamburg e.V. (LGH), wie folgt:

 

1. Laut Herrn Sielmann konnte mit der BUE eine Vereinbarung über die Teilung „übergroßer Parzellen von 600 bis über 1.000 m² Flächengröße“ im Rahmen einer Vereinbarung über „kleinteilige Parzellenteilungen“ erzielt werden. Trotz der immer wieder vorgebrachten Behauptung, dass keine Informationen über die Parzellengrößen vorliegen, kann eine solche Vereinbarung nur unter Kenntnis des Vereinbarungsgegenstands getroffen werden. Wie viele Kleingartenparzellen in Hamburg haben Flächen in der von der Vereinbarung betroffenen Größe von 600 bis 1.000 m²? In welchen Kleingartenanlagen liegen diese und welche Gesamtfläche haben solche Kleingartenparzellen?

2. Welche Kleingartenparzellen in der Größe von 600 bis 1.000m² wurden bisher „kleinparzelliert“? Bitte mit Parzellengröße unter Angabe des Kleingartenvereins sowie des Zeitpunkts der Aufteilung und der End-Größe der Parzellen nach Aufteilung angeben.

Die kleinteilige Nachverdichtung, d.h. die Teilung einzelner übergroßer Parzellen, erfolgt auf Initiative der jeweiligen Vereine. Die entsprechenden Anträge der Vereine gehen beim LGH ein. Dieser hat sie bis Sommer 2017 zur Finanzierung und Beauftragung der Teilung durch die Bezirksämter an die Behörde für Umwelt und Energie (BUE) weitergeleitet. Mit der ab dem 30. August 2017 geltenden „Vereinbarung zur kleinteiligen Nachverdichtung im Kleingartenbestand“ erfolgt die Umsetzung durch den LGH bei fortgesetzter Finanzierung durch die BUE. Anlass für eine Parzellenteilung ist oftmals der Abriss nicht mehr dauerbewohnter Behelfsheime, da diese i.d.R. auf größeren Parzellen standen. Derartige Teilungen finden seit vielen Jahren statt und tragen dazu bei, Ersatzkleingärten zu schaffen. Eine flächendeckende, systematische Erfassung der einzelnen Parzellengrößen erfolgt seitens der zuständigen Behörde nicht und ist hierfür auch nicht erforderlich. Ob eine beantragte Teilung möglich und sinnvoll ist, ist jeweils eine Einzelfallprüfung.

Die Ausgangsgrößen vor der Teilung schwankten in der Vergangenheit zwischen ca. 500 und 1000 m², die Endgrößen nach der Teilung zwischen ca. 250 und 350 m².

Seit die zuständige Fachbehörde die einzelnen Parzellenteilungen begleitet und finanziert, wurden bis zur Übertragung der kleinteiligen Nachverdichtung auf den LGH Mitte 2017 67 zusätzliche Parzellen gewonnen, siehe dazu auch Anlage.

 

3. Welche Kleingärten wurden seit 2010 (auch nur in Teilen) neu strukturiert beziehungsweise verdichtet und auf welcher Basis fand dies statt (Aufteilung bestehender Parzellen oder grundsätzliche Neuorganisation mit Aufhebung bestehender Parzellen und Neugliederung)? Bitte mit Nennung des KGVs, dem Jahr der Neuaufteilung, der betroffenen Fläche, der Gesamtfläche des KGVs, der Ausgangszahl der Parzellen, der nach Neugliederung vorhandenen Parzellenanzahl und deren Gesamtgröße je KGV aufführen.

Zur Aufteilung bestehender Parzellen seit 2010 siehe Anlage.

Darüber hinaus haben Nachverdichtungen mit grundsätzlicher Neuorganisation der Altanlage bisher in zwei Vereinen stattgefunden:

Im KGV 238 „Gartengemeinschafts Diebsteich-Bornkamp“ wurden bzw. werden bei 69 Ausgangsparzellen in insgesamt drei Bauabschnitten 30 zusätzliche Parzellen gewonnen. Die Schwankungsbreite der Parzellengrößen kann noch nicht benannt werden, da der 3. Bauabschnitt noch nicht abgeschlossen ist und somit noch nicht alle Teilungen abgeschlossen sind.

Im KGV 413 „Heimat“ erfolgt eine Kompensation von für den Wohnungsbau (Pergolenviertel) gekündigten Kleingärten im verbleibenden Kleingartenbestand (zwei Teilflächen). Die ersten 110 Parzellen im verdichteten nördlichen Bereich auf einer Gesamtfläche von 37.302 m² wurden im September 2017 übergeben. Vor den Teilungen betrug die Durchschnittsgröße der Parzellen ca. 694 m², nach den Teilungen beträgt sie durchschnittlich 300 m².

Die Neustrukturierung der südlich verbliebenen Kleingartenfläche wird im Laufe 2018 umgesetzt. Es werden weitere ca. 70 Parzellen mit einer durchschnittlichen Größe von 300m² geschaffen werden.

 

4. Der Vorsitzende des LGH formuliert, dass „alle Ansprüche aus dem oben genannten 10.000er Vertrag“ fortgelten. Wie sieht der Senat eine solche Aussage vor dem Hintergrund, dass sich der LGH einer Veröffentlichung des 10.000er-Vertrags nach wie vor verweigert?

Entfällt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

 

5.  Im neusten „Gartenfreund“ führt der LGH-Vorsitzende aus, dass der LGH und der Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) sich geeinigt haben, „dass in Zukunft der Schwerpunkt in der Grundsanierung und Nachverdichtung innenstadtnaher Kleingartenanlagen liegen soll“.

a. Wie wird „innenstadtnah“ im Sinne dieser Vereinbarung definiert?

Der Hinweis auf die „Innenstadtnähe“ findet sich im „10.000er-Vertrag“ unter §1 (4). Innenstadtnähe bezeichnet vorrangig Kleingärten innerhalb des 2. Grünen Rings, kann sich aber auch auf zentrumsnahe Lagen z.B. in Bergedorf beziehen die außerhalb des 2. Grünen Rings liegen.

b. Wo ist diese Vereinbarung einsehbar?

Siehe Vorbemerkung.

 

6. Am 16. November 2017 hat der Senat auf Einladung des Ersten Bürgermeisters einen Empfang zum erstmaligen Abschluss des geheimen 10.000er Vertrags gegeben. Ist es seitens des Senats üblich, im Sinne der Transparenzregeln Empfänge zur Würdigung von Schriftstücken beziehungsweise Verträgen zu geben, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind?

a. Wenn ja: Wie begründet der Senat dieses Vorgehen?

Entfällt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

 

7. Der langjährige Vorsitzende des LGH schließt seine monatliche Kolumne im Verbandsblatt „Gartenfreund“ im Januar 2018 mit den Worten „Packen wir's gemeinsam an!“ Würde der Senat für seine Tätigkeit unter der Berücksichtigung, dass der zugrundeliegende Text den Akteuren der Mitgliedschaft nicht zugänglich ist, zu einer solchen Formulierung in seinem eigenen Handeln greifen?

Siehe Vorbemerkung. Im Übrigen nimmt der Senat zu Äußerungen Dritter regelmäßig keine Stellung.

 

8. Wie beurteilt der Senat das grundsätzliche Demokratieverständnis der Führungsspitze des LGH gegenüber seinen Mitgliedern, insbesondere bezogen auf Transparenz und Partizipation?

Zum Aspekt der Transparenz siehe Vorbemerkung.

In der Satzung des LGH sind die Befugnisse und Aufgaben der Gremien des LGH sowie der Mitwirkungsmöglichkeiten seiner Mitglieder geregelt. Im Übrigen sieht der Senat in regelmäßiger Praxis von einer Bewertung vereinsinterner Vorgänge ab.

 

9. Wie viele Kleingartenvereine auf dem Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg haben mittlerweile die Rahmensatzung des LGH übernommen? Bitte die Gesamtzahl der KGVs, die die Rahmensatzung ohne Modifikation übernommen haben sowie die der KGVs, die Modifizierungen verabschiedet haben, aufführen.

271 Mitgliedsvereine des LGH haben die neue Vereinssatzung und Gartenordnung in ihren Mitgliederversammlungen satzungsgemäß beschlossen. Sechs Vereine haben, in Abstimmung mit dem LGH, die neue Vereinssatzung und Gartenordnung mit unwesentlichen Änderungen beschlossen. Zwei Mitgliedsvereine haben in ihren Mitgliederversammlungen die neue Vereinssatzung und Gartenordnung mit Mehrheit, aber nicht der erforderlichen satzungsändernden Mehrheit, beschlossen. Die restlichen Mitgliedsvereine haben angekündigt, die Beschlussfassung der neuen Vereinssatzung und Gartenordnung im Rahmen ihrer turnusgemäßen Mitgliederversammlungen in der ersten Hälfte des Jahres 2018 vorzunehmen.

 

10. Angesichts der beim Erlass der Rahmensatzung angekündigten Konsequenzen bei Nichtübernahme der neuen Satzung bis hin zum Ausschluss aus dem LGH und Kündigung der Pachtverträge: Welche konkreten Schritte sind seitdem gegenüber KGVs eingeleitet worden und welchen Stand haben diese eingeleiteten Schritte heute?

Mitgliedsvereine, die die neue Vereinssatzung noch nicht beschlossen haben werden vom LGH abgemahnt und mit Fristsetzung zur Beschlussfassung durch die Mitgliederversammlung aufgefordert. Im Zuge dessen werden die betreffenden Mitgliedsvereine auf die möglichen Folgen einer nicht vollzogenen satzungsgemäßen Beschlussfassung hingewiesen, siehe dazu auch Drs 21/10361.

 

11. Zur Komplettierung der Datenlage: Die fortlaufenden Antworten, dass weder dem Senat noch dem LGH Informationen bezüglich der Parzellengrößen der Kleingartenvereine vorliegen, decken sich nicht mit der seitens des LGH erfolgten Abfrage bei seinen Mitgliedsvereinen über genau diese Größenaufteilung, bei der sich aus verständlichen Gründen nach meinen Informationen nur 50 Prozent der KGVs beteiligt haben.

a. Für wie viele KGVs liegen Größenangaben über die Parzellen vor?

b. Wie viele KGVs haben dem LGH auf seine Abfrage geantwortet?

Gemäß Auskunft des LGH sind seitens des LGH keine systematischen und flächendeckenden Abfragen zur Größe einzelner Parzellen erfolgt. Dies schließt nicht aus, dass in Einzelfällen im Zusammenhang mit einer potentiellen Verdichtung Parzellengrößen betrachtet wurden.

 

12. Wird es, angesichts der immer wieder auf die Größe der Parzellen bezogenen Planungen, eine vollständige Erhebung der Parzellengrößen geben?

a. Wenn ja: wann?

b. Wenn nein: Warum nicht und wie soll die Planung bezüglich der Kleingartenentwicklung ohne diese Angaben effizient und erfolgreich erfolgen?

Die Parzellengrößen werden jeweils anlassbezogen als Grundlage für die Umgestaltung eines Gebietes erhoben. Ihre flächendeckende und systematische Erfassung ist nicht erforderlich.