SKA: Stammgleise und Bahnanschlüsse

Stephan Jersch

Zur aktuellen Entwicklung eines schadstoffärmeren Transportverkehrs in Hamburg.

19. Januar 2018

Schriftliche Kleine Anfrage

der Abgeordneten Stephan Jersch und Heike Sudmann (DIE LINKE) vom 11.01.2018

und Antwort des Senats

- Drucksache 21/11583 -

 

Betr.: Stammgleise und Bahnanschlüsse

Der Stickoxidausstoß von Nutzfahrzeugen soll signifikant sinken, das ist die zentrale Annahme der Fortschreibung des Luftreinhaltesplans (LRP) aus dem Vorjahr. Dies werde bei angenommener höherer Fahrleistung bis 2020 allein durch eine weitere Flottenerneuerung hin zu Fahrzeugen der Euro VI-Norm erreicht, so der Senat. Der Anteil so ausgestatteter Fahrzeuge lag im vergangenen Jahr bei, je Experte, ca. 30% bis 45% der sog. schweren Nutzfahrzeuge, also der LKW über 3,5 to [vgl. u.a. Ausführungen im Protokoll der Öff. Sitzung von Umwelt- und Verkehrsausschuss vom 12.Sept. 2017 (Drs. 21/25 bzw. 21/22, S.6 bzw. 11)].

Im Protokoll der gemeinsamen Sitzung von Verkehrs- und Umweltausschuss zum LRP vom 19. Juli des Vorjahres werden die Senatsvertreter wie folgt zitiert:“ Der Anteil der Güter, der von der Straße auf die Schiene verlegt werden solle, liege nach den Planungen bei über 50%, was …die Hafenbahn und die HHLA mit ihrem …Hinterlandverkehr miteinschließe“. (Vgl. Drs. 21/24 und 21/21, S.18).

Die erst wenige Jahre zurückliegende von der Deutschen Bahn geplante Einschränkung ihres Güterverkehrs ist dann zwar doch nicht gekommen, aber entgegen aller anderslautender Bekundungen findet die Verlagerung des Transports von Gütern eher von der Schiene auf die Straße und nicht umgekehrt statt.

Zwar betont die FHH im Zusammenhang mit dem Gütertransport vom und zum Hafen die Größe der Bahnanlagen der Hafenbahn und die Notwendigkeit, diese Anlagen weiter auszubauen, jedoch scheint sich dies nicht auf weitere Bereiche der Industrie- und Gewerbepolitik Hamburgs auszuwirken, vermitteln doch weiterhin viele bestehende Gleisanschlüsse in Gewebe- und Industriegebieten den Eindruck einer bereits teils langen Nicht-nutzung. Dies erscheint umso verwunderlicher, als die Belastung der Umwelt und der Bevölkerung durch den Transport auf der Straße deutlich höher als durch schienengebundenen Transport ist und sich durch ihn in Gewerbe- und Industriegebieten i.d.R. auch wenig Beeinträchtigung für Anwohner und Anwohnerinnen ergeben. Gleichwohl führte der Senat in der Drs. 21/3868 zu Frage 9 aus, die „Ansiedlung von Produktionsbetrieben, für die ein Gleisanschluss sinnvoll ist, hat für die Arbeit der HWF Hamburgische Gesellschaft für Wirtschaftsförderung mbH… nur eine untergeordnete Rolle.“

In der Drucksache 21/3868 vom 31.03.16 ging der Senat auch auf die Bedeutung der Bahn für Industrie und Gewerbe in Hamburg ein und teilte zu den Bereichen Billbrook und dem Hafengebiet Fakten mit. Die bundeseigene DB AG sah sich nicht in der Lage, Auskunft über von ihrem Netz abgehende Anschlussgleise Auskunft zu geben.

Zu dem im Eigentum der AKN befindlichen Industriebahnsystem im Raum Billbrook/Billstedt/Moorfleet/Glinde geht aus der Drs. hervor, von 45 km Streckenlänge seien circa 6,5 km der Gleise im Industriegebiet Billbrook betrieblich gesperrt und für etwa 9 km Gleislänge sei die Stilllegung beim Eisenbahnbundesamt beantragt. 18 Anschlüsse waren damals im Rahmen der betrieblichen Vorgaben nutzbar.

Die Bundesregierung hat die Förderung neuer Gleisanschlüsse bis zum Jahr 2020 verlängert. Diese Förderung erlaubt es, bis zu 50% der Kosten der Neueinrichtung von Gleisanschlüssen zu fördern. Hierfür stehen jährlich 14 Mio. € zur Verfügung.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

Der Senat beantwortet die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der Deutschen Bahn AG (DB AG), des Eisenbahn-Bundesamtes (EBA) und der HIW Hamburg Invest Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH (Hamburg Invest) wie folgt:

 

1. Wie viele Gewerbe- und Industriegebiete gibt es in Hamburg? Bitte die Gebiete auflisten, mit der Anzahl der dort ansässigen Betriebe.

Die Zahl der Gewerbegebiete in Hamburg beläuft sich auf 200. Die Basis bilden hier die Gewerbe­entwicklungskonzepte der Bezirke. Über die Anzahl der Betriebe liegen keine Informationen vor.

Im Übrigen siehe Anlage.

 

2. Welche Ziele verfolgt der Senat im innerstädtischen Güterverkehr abseits von der generellen Förderung des Schienentransportes konkret vor dem Hintergrund der Umsetzung der klimapolitischen Ziele einerseits und der allgemeinen umweltpolitischen Ziele (z.B. Lärmminderung) andererseits?

Damit der Verkehr trotz steigender Verkehrsleistung einen angemessenen Beitrag zu den Klimaschutz- und Energieeinsparzielen leistet, setzt der Senat gemäß Hamburger Klimaplan (Drs. 21/2521) im Handlungsfeld Mobilität auf die erheblichen Potenziale durch Nutzung effizienter und neuer Technologien, die Implementierung innovativer, intermodaler und auf ein sich veränderndes Mobilitätsverhalten gerichteter Angebote sowie Änderung des Modal Split. Der Senat fördert die Veränderung von Rahmenbedingungen zugunsten einer nachhaltigen klimagerechten Mobilität in allen Verkehrsbereichen. Um die genannten Ziele zu erreichen, setzt der Senat z.B. auf folgende Maßnahmen:

  • Entwicklung von Strategien für einen effizienten emissionsarmen bzw. -freien Wirtschafts-verkehr, u.a. im Projekt Smart Last Mile Logistics (SMILE),
  • Weiterentwicklung des gut ausgebauten Verkehrsmanagementsystems in Verbindung mit modernen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) zu einem intelligenten Transportsystem (ITS) und
  • Unterstützung eines betrieblichen Mobilitätsmanagements zur Förderung einer klima-freundlichen, schadstofffreien Mobilität.

Die Umsetzung der Klimaziele trägt zum Teil auch zur Lärmminderung bei. Konkret wurden im Rahmen der Lärmaktionsplanung bereits die umfangreichen Lärmsanierungsmaßnahmen an bestehenden Schienenstrecken (Güterumgehungsbahn, Marienthal und Hausbruch) benannt (Lärmaktionsplan 2013, Abb. 5). Im Zusammenhang mit der Fortschreibung des Lärmaktionsplans wird das Eisenbahnbundesamt, als nunmehr zuständige Stelle für den Schienenverkehr im Zusammenhang mit der Umgebungslärmrichtlinie, die Aufnahme weiterer Streckenabschnitte in das freiwillige Sanierungsprogramm des Bundes zu prüfen. Das Eisenbahnbundesamt wird innovative Maßnahmen der DB AG wie z.B. Fortsetzung des Brückenentdröhnungsprogrammms weiter unterstützen. Die Neubaumaßnahmen wie z.B. der Bau der S4 und die damit verbundene Erleichterung des Verkehrsflusses für den Güterverkehr werden mit umfangreichen Lärmschutzmaßnahmen einhergehen.

Die zuständige Behörde überarbeitet im Jahr 2018 den nach EG-Umgebungslärmrichtlinie aufgestellten Lärmaktionsplan. Im Zuge dessen werden weitere Lärmminderungsmaßnahmen für Verkehrslärm geprüft. Die Ziele zur Luftreinhaltung sind in der 2. Fortschreibung des Luftreinhaltplans dargestellt.

3. In der Drs. 21/3868 antwortete der Senat auf Frage 9, das die „Ansiedlung von Produktionsbetrieben, für die ein Gleisanschluss sinnvoll ist,… für die Arbeit der HWF Hamburgische Gesellschaft für Wirtschaftsförderung mbH… nur eine untergeordnete Rolle (hat). Derartige Standortentscheidungen werden in der Regel europaweit aus-geschrieben und ein wesentliches Kriterium bei der Vergabe ist die Höhe der Beihilfen, die am jeweiligen Standort gezahlt werden“.

Spielt u.a. vor dem Hintergrund der Fortschreibung des LRP im letzten Jahr, die Verlagerung von Transportkapazitäten weg von der Straße zu anderen Verkehrsträgern, vor allem der Bahn, bei der Firmenansiedlungspolitik der FHH eine Rolle? Wird aktiv bei an- bzw. umsiedlungswilligen Betrieben für einen Gleisanschluss geworben?

Das gut ausgebaute Hinterlandnetz des Hamburger Hafens mit seiner leistungsfähigen Infrastruktur für Bahn und Binnenschiff ist für Hamburg Invest national und international ein wichtiges Argument für die Ansiedlung u.a. von Handels- und Logistikunternehmen. Produzierende Unternehmen, die einen eigenen Bahnanschluss benötigen, können jedoch aus den in Drs. 21/3868 bereits geschilderten Umständen nur selten für Hamburg gewonnen werden. Auch im Rahmen der Revitalisierung und Modernisierung des Industriegebietes Billbrook/Rothenburgsort spielt aus Sicht der meisten ansässigen Unternehmen die Möglichkeit eines Gleisanschlusses dort eine nur sehr untergeordnete Rolle.

 

4. Für das Hafengebiet gibt Drs. 21/3868 93 Anschlüsse an. Wie hat sich diese Anzahl ggf. seit bald 2 Jahren verändert?

Im Hafengebiet gibt es derzeit 88 Gleisanschlüsse.

 

5. Wie hat sich die Streckenlänge der Hafenbahn ggf. seit 2016 verändert?

Die Streckenlänge der Gleise der Hafenbahn zwischen den jeweiligen Gleisanschlüssen und den Anschlüssen an das DB-Netz bewegt sich seit dem Jahr 2000 stets auf gleichem Niveau von rund 290 km.

 

6. In der Drs. 21/4513 gab der Senat für das Gewerbegebiet „Altenwerder West“ an, das die damaligen Planungen eine Schienenanbindung nicht vorsehen, „da der Höhenverlauf des Geländes… eine Schienenanbindung nur unter einem unverhältnismäßig hohen Aufwand zuließe… eine Schienenanbindung auch für Logistikunternehmen nicht unbedingt erforderlich und…nur selten nachgefragt (wird)“. Wie ist die damalige Planung umgesetzt worden bzw. wie wird sie u.a. vor dem Hintergrund der Fortschreibung des LRP umgesetzt?

Die Erschließung des Plangebiets erfolgt über die Straße Vollhöfner Weiden. Eine bahnseitige Er-schließung des Gebiets ist durch die Anbindung an das Bestandsnetz der Hafenbahn grundsätzlich möglich.

 

7. Zur Entwicklung des Industriebahnsystems im Raum Billbrook/Billstedt/Moorfleet/Glinde seit 2016:

a. Wie viel von den angegeben circa 6,5 km der Gleise im Industriegebiet Billbrook sind weiterhin betrieblich gesperrt?

Die in Drs. 21/3868 genannten 6,5 km Gleise, die betrieblich gesperrt waren, lagen vollumfänglich in den Bereichen der damals im Verfahren befindlichen Stilllegungen von 9 km. Siehe hierzu auch Antwort zu 5. der Drs. 21/3868. Da diese Stilllegungsverfahren zwischenzeitlich positiv abgeschlossen sind, sind diese Gleise endgültig stillgelegt und nicht mehr betrieblich gesperrt.

b. Ist die für etwa 9 km Gleislänge in 2016 noch anhängige beantragte Stilllegung mittler­weile vollzogen?

Ja.

c. Wie hat sich die Zahl der in 2016 noch vorhandenen 18 Anschlüsse ggf. verändert?

Die genannte Zahl der Gleisanschlüsse hat sich um zwei reduziert.

d. Welche Anschluss-/Stammgleise sind ggf hinzugekommen?

Keine.

 

8. Welche der 2016 noch 14 zentralen Güterverladestationen der Deutschen Bahn AG werden auch 2017 noch genutzt, welche sind ggf. dazu gekommen?

9. Die Deutschen Bahn AG hat bzw. will zentrale Güterverladestationen schließen: Welche waren bzw. sind absehbar betroffen?

Es sind keine Veränderungen an den Güterverkehrsstellen im Jahr 2017 im Vergleich zum Jahr 2016 vorgenommen worden. D.h. die genannten 14 Güterverkehrsstellen bestehen unverändert. Es sind für das Jahr 2018 keine Veränderungen geplant und es zeichnet sich auch für das Jahr 2019 keine Veränderung ab.

 

10. Wie viele neue Gleisanschlüsse wurden jährlich mithilfe der Gleisanschlussförderung seit Einführung dieser Fördermöglichkeit in Hamburg gefördert?

Bitte aufgliedern nach Hafengebiet und restlichem Stadtgebiet.

In den Jahren 2006 bis 2017 wurden in Hamburg vom EBA acht Gleisanschlüsse gefördert. Diese Förderungen können sowohl Aus- wie auch Neubau enthalten. Eine genauere Auskunft konnte in der für die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht ermittelt werden.

 

11. Wie viele der Gleisanschlüsse waren am 31.12.2017 noch in Betrieb?

Zum genannten Zeitpunkt gab es 114 Gleisanschlüsse.

 

12. Weist die HWF bei Beratungen zur Ansiedlung transportintensiver Betriebe aktiv auf diese Fördermöglichkeit hin?

Ja, Hamburg Invest weist auf diese Möglichkeit regelmäßig hin.

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