SKA: Stromversorgung der Kreuzfahrtschiffe an den Hamburger Terminals

Stephan Jersch

In welchem Maße speziell die Kreuzschifffahrt zu den Grenzwertüberschreitungen bei Luftschadstoffen beiträgt, ist Hamburgs Regierung nicht bekannt. Die Versorgung mit Landstrom könnte hier für bessere Luft sorgen.

6. Juni 2017


Schriftliche Kleine Anfrage

der Abgeordneten Norbert Hackbusch und Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 29.05.2017

und Antwort des Senats

- Drucksache 21/9236 -

Betr.: Stromversorgung der Kreuzfahrtschiffe an den Hamburger Terminals


Der ausliegende Entwurf der 2. Fortschreibung des Luftreinhalteplans weist eine rund 80%ige Belastung von Stickoxiden durch den Hamburger Hafen und vornehmlich durch die Schifffahrt aus.

Auch wenn die Kreuzschifffahrt laut des Entwurfes einen Anteil von „nur“ 3 Prozent an den Gesamtstickoxidemissionen hat, entstehen die gesundheitsschädlichen Emissionen doch sehr lokal und schädigen - ganz abgesehen von dem im LRP nicht weiter untersuchten, krebserregenden Feinstaub - vor allem die Wohnbevölkerung der Hafencity, der Neustadt, von St. Pauli und Altona Süd.

Durch ein deutlich ansteigendes Interesse an Kreuzfahrten haben sich Anläufe und Passagierzahlen im Hamburger Hafen seit 2006 mehr als verdreifacht. Im Jahr 2017 werden bei rund 170 Anläufen ca. 750 000 Besucher erwartet. Angesichts der Tatsache, dass Kreuzfahrtschiffe mit Ausnahme der AIDAsol bisher keinen externen Strom zum Schutz der lokalen Bevölkerung vor giftigen Abgasen beziehen können (Landstrom Altona oder über LNG-Barge Hafencity), müssen die Kreuzfahrtschiffe ihren Strom nach wie vor selbst produzieren. Da die Kreuzfahrtschiffe aktuell kaum über wirksame Abgasnachbehandlungssysteme (Rußpartikelfilter, Katalysatoren) verfügen, ist die Emissionsbelastung dicht an den zuvor erwähnten Wohngebieten entsprechend hoch. Da in Hamburg jedoch der Wind im Regelfall aus Süd-West weht, wird der Nordrand der Elbe zudem auch durch Emissionen vom Kreuzfahrtterminal Steinwerder belastet.

Angesichts der absehbaren Bebauung des Strandkais östlich des Unilever-Gebäudes kann die LNG-Hybridbarge von Becker Marine Systems in den kommenden drei Jahren offensichtlich keinen emissionsarmen Strom im Magdeburger Hafen produzieren.

Wir fragen den Senat:

Das Ausmaß möglicher Auswirkungen auf die Wohnbevölkerung hängt von den Immissionskonzentrationen (nicht von den Emissionsanteilen) ab. Beurteilungsmaßstab, entsprechend auch der Bewertung durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO), ist der Immissionsgrenzwert. Nach den Ergebnissen des Entwurfes der 2. Fortschreibung des Luftreinhalteplans wird an wenigen Straßenzügen im Nahbereich des Hafens der Jahresmittelgrenzwert von Stickstoffdioxid (NO2) überschritten. Der Anteil der Schiffsemissionen an der Hintergrundbelastung wurde nur an einzelnen Abschnitten mit 80 % modelliert.

In welchem Maße speziell die Kreuzschifffahrt zu den Grenzwertüberschreitungen beiträgt, ist unbekannt.

Laut Entwurf der 2. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für Hamburg hat die Kreuzschifffahrt einen Anteil von 2,5 % an den schiffsbedingten (nicht an den gesamten) NOx-Emissionen, die wiederum nur einen Teil der tatsächlichen Immissionsbelastung ausmachen.

Feinstaub wurde im Luftreinhalteplan nicht betrachtet, weil die Grenzwerte (Kurz- und Langzeit) an allen Messstellen in Hamburg eingehalten sind. An der Station Altona Elbhang wurden im Jahr 2016 im Jahresmittel 21 µg/m³ PM10 gemessen. Diese Immissionskonzentration liegt deutlich unter dem Grenzwert von 40 µg/m³m, der WHO-Luftgüteleitwert von 20 µg/m³ wird nur leicht überschritten.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Hamburg Port Authority AöR (HPA) und der HafenCity Hamburg GmbH (HCH) wie folgt:

1. War die temporäre Stilllegung der LNG-Hybridbarge in der Hafencity eingeplant und absehbar?

2. Wann wurde der Betreiber Becker Marine Systems darüber informiert?

Dem Senat sind keine Planungen zur Stilllegung der LNG-Hybrid Barge bekannt.

3. Wann wurde für Steinwerder festgelegt, dass nur externe LNG-Versorgung für die AIDAprima vorgesehen wurde?

Am Cruise Center Steinwerder wurde grundsätzlich auch die Versorgung von Schiffen per LNG-Barge vorgesehen. Nautische Gründe und einzuhaltende Sicherheitsvorschriften lassen eine Direktversorgung momentan nicht zu. Im Übrigen siehe Drs. 20/10414.

4. Wann informierte AIDA die HPA/Hamburg Cruise Gate, dass die AIDAprima Hamburg verlassen und zukünftig im Mittelmeer fahren wird? Mit welcher Begründung?

Die Cruise Gate Hamburg (CGH) wurde im September des Jahres 2016 informiert. Hintergrund sind übliche Fahrplananpassungen der Kreuzfahrtreedereien. Im Übrigen siehe Drs. 21/5913.

5. Warum wurde in Steinwerder nicht von Beginn an externe Versorgung mit Strom der LNG-Hybridbarge vorgesehen?

6. Ist eine Verlegung der Barge mit landseitigem Anschluss für die Zukunft in Steinwerder noch geplant, um das von der FHH als Innovation gefeierte und für eigene Marketingzwecke genutzte Projekt weiter nutzen zu können?

Siehe Antwort zu 3.

7. Hat sich HPA / Hamburg Cruise Gate zu sehr auf Zusagen von AIDA verlassen, dass die Versorgung der AIDAprima vorrangig, Alternativen (z. B. Barge) nachrangig behandelt werden?

Derartige Zusagen von AIDA sind nicht bekannt. Im Übrigen siehe Antwort zu 3.

8. Was passiert mit dem landseitigen Anschluss in der Hafencity (Schaltkasten/Erdkabel)? Kann der Anschluss nach Fertigstellung des neuen Gebäudes noch genutzt werden oder ist der Anschluss (Schaltkasten / Erdkabel) ganz oder in Teilen spätestens dann nicht mehr nutzbar?

Der landseitige Anschluss ist grundsätzlich nutzbar, während der Bauphase kann es allerdings zu Einschränkungen kommen.

9. Ist ein anderes externes Versorgungssystem im Magdeburger Hafen geplant? Wenn ja, was für eines und welche zusätzlichen Kosten entstehen?

Hiermit hat sich der Senat noch nicht befasst.

10. Die FHH hat sich über Jahre mit der Innovation der LNG-Hybridbarge „geschmückt“. Spielt das System auch weiterhin eine Rolle in der strategischen Planung? Unter der Maßgabe eines Systemwechsels in der Hafencity- wenn ja, wo? Mit welchen zusätzlichen Kosten?

Die HPA unterstützt weiterhin den Einsatz der LNG Hybrid Barge im Hamburger Hafen. Sie wird explizit im Entwurf der 2. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für Hamburg erwähnt und spielt weiterhin eine Rolle.

11. Ist ein Systemwechsel gegenüber Becker Marine Systems kommuniziert worden? Wenn ja, wann und von wem?

Nein.