SKA: Anwendung von Glyphosat in Hamburg - Sachstand

Stephan Jersch

Glyphosat wird, trotz des schwerwiegenden Verdachtes, krebserzeugend zu sein, auf Hamburger Staatsgebiet weiterhin eingesetzt - auf gartenbaulichen und landwirtschaftlichen Betrieben, aber auch von Gleisbetreibern und Betreibern von Hochwasserschutzanlagen, Öllager- und Förderstätten sowie Umspannwerken.

27. Februar 2018

Schriftliche Kleine Anfrage

des Abgeordneten Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 19.02.2018

und Antwort des Senats

- Drucksache 21/12078 -

 

Betr.: Anwendung von Glyphosat in Hamburg - Sachstand

Am 27. November 2017 hat ein von der Europäischen Kommission eingerichteter Berufungsausschuss bestehend aus Vertretern der Mitgliedsstaaten mit qualifizierter Mehrheit (18 Ja-Stimmen, 9 Nein-Stimmen und 1 Enthaltung) entschieden, dass Glyphosat für weitere fünf Jahre zugelassen wird. Die geschäftsführende Bundesregierung, zwar auch intern umstritten, hat in Person des amtierenden Bundeslandwirtschaftsministers zugestimmt. Die Europäische Kommission ist gemäß der EU-Rechtsvorschriften dadurch verpflichtet worden, die Zulassung des Pestizids Glyphosat, einem umstrittenen Wirkstoff in Pflanzenschutzmitteln (PSM) zur Unkrautbekämpfung und zur Sikkation (Vorerntebehandlung) zu verlängern.

In der Bürgerschaftsdrucksache 21/3106 teilte der Senat unter zusätzlicher Bezugnahme auf die Drucksache 20/10003 mit, der Einsatz von Glyphosat erfolge in Hamburg auf landwirtschaftlich und gartenbaulich genutzten Flächen sowie im Rahmen von Einzelfallgenehmigungen.

Lt. Antwort des Senates in der Drs. 21/ 3106 aus dem Februar 2016 hatte die zuständige Behörde aus der damaligen Schlussfolgerung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), die Anwenderexposition neu zu bewerten, die Notwendigkeit abgeleitet, die Allgemeinheit auf öffentlichen Flächen besser zu schützen. In einer Pressemitteilung des Senats vom 18. Januar 2016 hatte die BWVI ein 'Glyphosat-Moratorium' für Nichtkulturlandflächen, die in direktem Kontakt mit der Allgemeinheit stehen, verkündet. Das Moratorium der BWVI für den Glyphosat-Einsatz umfasste somit nicht den vollumfänglichen Einsatzbereich des Wirkstoffs.

Im Bundesrat liegt mit dem Entschlussantrag 740/17 eine Drs. vor, die einen restriktiveren Umgang mit dem Pestizid vorsieht.

Auch auf kommunaler Ebene gibt es Aktivitäten gegen Glyphosat. Die Hansestadt Rostock verbot das Unkrautgift jetzt: Die Stadtverwaltung untersagte laut „Ostseezeitung“ vom 8.Januar ab sofort allen neuen Vertragspartnern, auf kommunalen Flächen Glyphosat einzusetzen. In Augsburg ist Glyphosat schon seit Jahren auf allen städtischen Grünanlagen, in den Forsten und im Botanischen Garten tabu. Von diversen hessischen und bayrischen Gemeinden berichtet die Presse ähnliches. Auch im Umland unserer Stadt tut sich was. So berichtete die Pinneberger Tagblatt in der „shz“, im Umweltausschuss des Kreistags Pinneberg sei ein Antrag für den Verzicht anhängig.

Ich frage daher den Senat:

Pflanzenschutzmittel dürfen nur eingesetzt werden, wenn sie über eine entsprechende Zulassung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) verfügen. Mit der Zulassung werden bestimmte Anwendungsbereiche und -bestimmungen sowie Kulturen und Auflagen festgelegt. Glyphosat ist ein Wirkstoff in Pflanzenschutzmitteln der zur Unkrautbekämpfung und zur Sikkation (Vorerntebehandlung) in der landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Praxis eingesetzt wird.

Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Glyphosat finden Verwendung auf Kulturland- und Nichtkulturlandflächen. Dabei sind Kulturlandflächen, Flächen die zur Produktion und Inkulturnahme von Pflanzen vorgehalten werden. Im Gegensatz dazu sind Nichtkulturlandflächen alle Flächen, die nicht landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzt werden.

Die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln muss nur auf Nichtkulturlandflächen vor deren Anwendung von der zuständigen Behörde genehmigt werden. Dabei muss die Anwenderin bzw. der Anwender seine Sachkunde gemäß Pflanzenschutzgesetz nachweisen.

Die zuständige Behörde hat bereits im Januar des Jahres 2016 für Hamburg entschieden, die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln mit Glyphosat auf Nichtkulturlandflächen, die im direkten Kontakt mit der Allgemeinheit stehen, nicht mehr zu genehmigen. Nichtkulturlandflächen, mit denen die Allgemeinheit nicht direkt in Kontakt kommt, sind ausgenommen. Zu diesen Nichtkulturlandflächen zählen Gleisanlagen, Öllagerstätten, Ölförderanlagen, Umspannwerke und bestimmte Wegeflächen. Grund hierfür ist die erforderliche Gewährleistung der Betriebs-, Arbeits- und Verkehrssicherheit.

Für die entsprechenden Flächen, auf die sich das Moratorium vom Januar des Jahres 2016 bezieht, wurden seitdem keine Genehmigungen für die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat ausgestellt. Es handelt sich hierbei um Nichtkulturflächen, die im direkten Kontakt mit der Allgemeinheit stehen. Für die Nichtkulturlandflächen, die vom Moratorium ausgenommenen wurden, d.h. Nichtkulturlandflächen, die nicht im direkten Kontakt mit der Allgemeinheit stehen, wurden weiterhin Ausnahmegenehmigungen erstellt.

Das Moratorium wurde im Juni des Jahres 2016 erneut bestätigt und galt bis zum Abschluss der Neubewertung des Wirkstoffes Glyphosat durch die Europäische Kommission (KOM). Die KOM entschied auf der Grundlage der Neubewertung, den Wirkstoff Glyphosat weiterhin zu genehmigen. Im November des Jahres 2017 entschied die zuständige Behörde, die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat, auf den vorstehend genannten Flächen weiterhin nicht zu genehmigen. Die öffentliche Debatte verdeutlicht, dass große Teile der Hamburger Bevölkerung einem Einsatz von entsprechenden Pflanzenschutzmitteln kritisch gegenüberstehen und diesen ablehnen. Das Moratorium gilt bis zum Ende der Wirkstoffgenehmigung am 15. Dezember 2022. Im Übrigen siehe Drs. 21/3106.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

 

1. Wo wird Glyphosat in der FHH eingesetzt?

Siehe Vorbemerkung.

 

2. Wiegroß sind die so behandelten Flächen?

Entsprechende Daten werden nicht erhoben.

 

3. Wer setzt in Hamburg (noch) Glyphosat und in welchen Mengen ein?

Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Glyphosat werden in gartenbaulichen und landwirtschaftlichen Betrieben, von Gleisbetreibern und Betreibern von Hochwasserschutzanlagen, Öllager- und Förderstätten sowie Umspannwerken eingesetzt. Die Anwendungsmengen werden nicht erhoben. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

 

4. In Beantwortung der Drs. 21/3106 teilt der Senat mit, obwohl er den Einsatz von Glyphosat auf von der Stadt verpachteten Flächen über die Pachtverträge untersagen könne, beabsichtige die zuständige Behörde nicht, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Eine sach- und fachgerechte Anwendung von Glyphosat auf landwirtschaftlichen Flächen wurde als vertretbar angesehen. Hat sich an dieser Einschätzung etwas geändert?

Nein. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

 

5. Wurde das in Drs. 21/3106 in Rede stehende Moratorium (lt. Pressemeldung entsprechend von Mitte Januar 2016 bis voraussichtlich Sommer 2016) so durchgeführt bzw. ggfs. verlängert? Wenn ja, bis wann?

Ja. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

 

6. Handelt/e es sich um ein vollständiges Moratorium oder wie war/ist es abgrenzt? Gab / gibt es ausgenommene Flächen!?

Siehe Vorbemerkung.

 

7. Sieht der Senat Möglichkeiten auf den vom Moratorium ausgenommenen Flächen ein Verbot zu erlassen. Wenn nein: Warum nicht?

Die zuständige Behörde darf nach derzeitiger Rechtslage weder auf Kulturlandflächen noch auf Nichtkulturlandflächen ein öffentlich-rechtliches Verbot aussprechen. Im Übrigen hat sich der Senat hiermit nicht befasst.

 

8. Wurden nach einem evtl. Auslaufen Ausnahmegenehmigungen für den Einsatz von Glyphosat erteilt und wie groß waren die davon betroffenen Flächen? Bitte nach Jahren und Lage der Flächen aufschlüsseln.

Bitte ab dem Jahr 2015 in einer Tabelle in Anlehnung an die in Anlage zu Drs. 21/3106 aufführen und nach landwirtschaftlich und gartenbaulich genutzten sowie als Nichtkulturlandflächen ausgewiesenen aufschlüsseln.

Ja. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

 

9. Gibt es derzeit noch bestehende Ausnahmegenehmigungen? Bitte mit Anzahl, Flächengröße und Dauer der Genehmigung aufführen.

Für das Jahr 2018 wurden bisher keine Ausnahmengenehmigungen erteilt. Im Jahr 2017 wurden 61 Ausnahmegenehmigungen mit dem Wirkstoff Glyphosat ausgestellt, die am 31. Oktober 2017 endeten. Die für das Jahr 2017 von den Antragstellern angegebenen Flächengrößen umfassten rund 80 ha. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

 

10. Wie viele Anträge auf Ausnahmegenehmigungen wurden seit 2015 abschlägig beschieden? Bitte nach Jahren aufschlüsseln.

Es wurden keine Anträge abschlägig beschieden.

 

11. Wie gedenkt sich der Senat in der Abstimmung der BR-Entschließung 740/17 (mit dem Ausschussvotum 740/1/17) zu verhalten bzw. wie hat er sich verhalten?

Die Drs. 740/17 wurde an die zuständigen Ausschüsse verwiesen. Die sofortige Sachentscheidung fand im Bundesrat keine Mehrheit.