Schließung von Freibädern ist unsozial, ein Folterinstrument zu Lasten der Partizipation
104. Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft am 11. September 2019 - AKTUELLE STUNDE: Auslaufmodell Freibad! Soziale Infrastruktur in den Stadtteilen in Gefahr.
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https://mediathek.buergerschaft-hh.de/videoschnitt/1568205967-1568206271/
https://mediathek.buergerschaft-hh.de/videoschnitt/1568207187-1568207433/
Stephan Jersch DIE LINKE: Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit den Freibädern Wiesenredder und Aschberg stehen jetzt zwei von sechs verbliebenen Freibädern in Hamburg auf der Abschussliste. Zwei große Freiflächen mit Erholungswert für Rahlstedt, dem größten Stadtteil Hamburgs, und für Hamm, das nun
auch wirklich mehr Erholungsflächen brauchen könnte.
Wir haben mit den Freibädern Stadion Altona, Dulsberg, Ohlsdorf bereits von mehreren Freibädern in den Jahren Abschied nehmen müssen in dieser Stadt.
(Zurufe von der SPD)
Sie sind verschwunden. Sie sind verschwunden in ihrer alten Form.
(Zurufe von der SPD)
Statt Diskussionen, so wie sie jetzt gerade bei den zwei Freibädern, die in der Debatte stehen, zu führen, statt Diskussionen um Alternativen für eine komplette Schließung zu führen, gibt es eine
(Zuruf)
Senatsanweisung zum Wiesenredder - ein Folterinstrument zulasten der Partizipation.
(Beifall bei der LINKEN - Ole Thorben Buschhüter SPD: Die werden ja gar nicht geschlossen, Sie haben keine Ahnung!)
Es fällt sicherlich schwer, über Freibäder oder Bäder generell in Hamburg zu diskutieren, denn wir debattieren hier über öffentliche Daseinsvorsorge, deren Grundparameter alle zu Geschäftsgeheimnissen erklärt werden. Sie von Rot-Grün entziehen sich damit jedweder fundamentalen Diskussion über die Orientierung und Ausgestaltung der Bäder politik, insbesondere der Freibäder.
(Beifall bei der LINKEN)
Freibäder haben große Liegeflächen, große Becken, sind im Freien untergebracht.
(Heiterkeit bei der SPD, der CDU und der FDP)
- Es ist schön, dass wir uns da einig sein können. Vielleicht schaffen wir es beim Rest dann auch noch.
Und sie sind keine horizontalen Stapelflächen für Handtücher, was aber an Neugestaltung meistens dann dabei herauskommt. Freibadliegeflächen sind nicht so zu behandeln wie Parkplätze in dieser Stadt, die in der Tat weniger werden müssen.
Der Ausbau der Infrastruktur ist wichtig statt zum Beispiel die weitere Einschränkung selbiger in den Freibädern, Schließung von Kiosken zum Beispiel, marode Spielelemente, und das ist nicht wirklich etwas, was Freibäder attraktiv machen kann. Die Event-Kultur dagegenzusetzen in den neuen Kombibädern mit ihren kleineren Becken, das bringt Freibäder in der Regel nicht wirklich auf die Gewinnstraße.
(Zurufe von Jens-Peter Schwieger und Juliane Timmermann, beide SPD)
Freibäder in der Freien und Hansestadt Hamburg entlasten die reguläre Bäderstruktur, sie sorgen dafür, dass mehr Schwimmen gelernt werden kann, sie sichern den Vereinen mehr Plätze zu und sie entlasten, wie gesagt, die regulären Strukturen.
Und nichtsdestotrotz haben Freibäder in dieser Stadt nicht einmal gesicherte Öffnungszeiten. Die Öffnungszeiten schwanken. Da können Sie das Wetter anführen,
(Ekkehard Wysocki SPD: Das Klima!)
das ist richtig, und da kann man dann noch einmal gucken, welche unterschiedlichen Klimazonen wir denn in dieser Stadt haben. Da waren 2018 die Freibäder zwischen 82 und 128 Tagen je nach Freibad geöffnet. Ist das Klima in dieser Stadt wirklich so unterschiedlich?
(Jens-Peter Schwieger SPD: Mikroklima!)
Jedes hanseatische Einkaufszentrum ist, was verlässliche Öffnungszeiten angeht und Kundenbindung, weiter als diese Politik.
(Beifall bei der LINKEN - Ekkehard Wysocki SPD: Das ist überdacht!)
Wir brauchen klare Parameter und Ziele, die definiert werden. Ich zitiere jetzt einmal aus der Antwort auf meine letzte Anfrage zu Freibädern:
"Die öffentlichen Bäder werden unter Berücksichtigung sozialverträglicher und großstadtüblich zumutbarer Entfernungen angeboten und betrieben."
Was soll man daraus eigentlich schließen? Alles ist möglich und nichts wird tatsächlich gemacht. Das kann nicht wirklich sein.
(Beifall bei der LINKEN)
Und wenn es darum geht, weiter zu sparen bei Bäderland im Haushalt, dann kann ich nur sagen, haben wir noch genau vier Sparbüchsen nach der Schließung dieser beiden Freibäder übrig. Dann ist Schluss mit der Sparpolitik, was Ihre Bäderstruktur angeht. Das heißt, Sie sind nicht in der Lage, ein nachhaltiges, perspektivisches Konzept zu bringen.
Deswegen verlangen wir Artenschutz für die Freibäder, keine Schließung dieser Freibäder, Ausbau dieser Struktur. - Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN - Jens-Peter Schwieger SPD: Das war ja wohl Satire! - Ksenija Bekeris SPD: Karneval!)
Teil 2
Stephan Jersch DIE LINKE: Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Da gehen die Emotionen so richtig hoch, muss ich sagen. Es ist für einen Parlamentarier schon schwierig, wenn sogar alle Geschäftszahlen von Bäderland Geschäftsgeheimnis sind. Wir können nur feststellen, was wir vor Ort sehen, was uns die Sportvereine, die Organisationen sagen und was wir selbst erleben. Das ist in der Tat, dass es zu wenig Angebot an Schwimmflächen in Hamburg gibt.
(Ole Thorben Buschhüter SPD: 25 Prozent mehr!)
Die Öffnungszeiten sind knapp, die DLRG beschwert sich über das, was an Möglichkeiten da ist, und mehr als das kann man jetzt wirklich nicht feststellen. Wenn Sie Kombibäder als Alternative anbieten,
(Dr. Monika Schaal SPD: Das hat doch keiner gesagt! Was behaupten Sie denn da?)
dann kann ich nur sagen, dass die Kombibäder in der Regel keine Alternative, kein Ersatz sind. Bei allen Investitionszahlen von Bäderland Hamburg kann ich nur sagen, dass es, wenn man sich die Infrastruktur der Freibäder anguckt, keine böse Falschbehauptung ist, dass dort zu wenig investiert wird.
(Ekkehard Wysocki SPD: Die Realität ist vollkommen egal!)
Auch die Einschränkung, es gebe einen gleichwertigen ... oder Ersatz, sagt schon, dass der Ersatz nicht immer gleichwertig ist. Das stellen wir letztendlich an vielen Orten fest.
(Glocke)
Stephan Jersch DIE LINKE: Ja.
Stephan Jersch DIE LINKE (fortfahrend): Wow, eine Zwischenfrage mit Applaus.
Klar, das hängt auch von den Parametern ab, und zwar besonders davon, dass wir zu großen grünen Freiflächen von Freibädern, die für das Stadtklima wichtig sind, zu kleinen Insellösungen kommen dort, wo die Leute nicht mehr wirklich leben können, wie zum Beispiel am Außenmühlenteich.
(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der SPD)
Das Freibad Aschberg wurde eben genannt. Der Quartiersbeirat Osterbrookviertel hat sich im Februar 2017 damit beschäftigt. Dort hat das Bezirksamt Hamburg-Mitte noch Erhaltung und Sanierung des Freibades zugesagt. Was ist denn das für eine Geschäftspolitik? Haben Sie keine Orientierung? Nein, ich vermute, Sie haben sie wirklich nicht.
(Martina Friederichs SPD: Das ist doch keine Antwort auf die Frage!)
Deswegen bleiben wir eindeutig dabei. Wenn man sieht, dass ein Bezirk wie Wandsbek, eine Großstadt mit fast 500 000 Einwohnern, an öffentlicher Infrastruktur gerade einmal ein Kombibad hat, dann, denke ich, sollte man sich wirklich eine Neuorientierung in der Bäderpolitik in Hamburg wünschen.
(Dirk Kienscherf SPD: Das ist doch Blödsinn!)
Vor allen Dingen können wir, wenn die Parameter nicht offengelegt werden, gar nicht sagen, worüber wir diskutieren.
(Zurufe von der SPD)
- Ja, krakeelen Sie nur weiter. Das macht aber nichts.
Sie entziehen der Stadt ein ums andere Mal soziale Infrastruktur. Es ist wirklich ein Trauerspiel, zu sehen, wie Sie diese Stadt in die Grütze reiten und es in diesem Fall auch wollen. - Danke.
(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der SPD: Oh!)