SKA: Atomtransporte durch Hamburg (XII)

Stephan Jersch

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Und wieder grüßt das Murmeltier und murmelt: Unverändert hohe Anzahl von Atomtransporte durch den Hamburger Hafen und das Hamburger Stadtgebiet, nämlich 44 in den vergangenen drei Monaten, und weiterhin sehr hoher Prozentsatz an festgestellten Mängeln, nämlich 35. Ein Siebtel davon, man lese und staune: auf Grund unzureichender Sicherung der Ladung!

23. März 2018

Schriftliche Kleine Anfrage

der Abgeordneten Norbert Hackbusch und Stephan Jersch (DIE LINKE)
vom 16.03.18

und Antwort des Senats

- Drucksache 21/12376 -


Betr.:    Atomtransporte durch Hamburg (XII)

Hamburgs Hafen bleibt nach der im Mai 2014 in der Bürgerschaft abgelehnten Teilentwidmung für Atomtransporte (vergleiche Drs. 20/11317) weiterhin ein Drehkreuz im internationalen Atomgeschäft – unter anderem zur Versorgung von AKWs. Der Senat teilte in der Drs. 21/4565 zum Thema mit, dass nach rechtlicher Prüfung von Hamburger Seite keine Möglichkeit bestehe, Transporte von radioaktiven Stoffen generell zu untersagen. Trotz Stilllegungen deutscher Atomkraftwerke nach der Katastrophe von 2011 im japanischen Fukushima und bis heute ungelöster dauerhafter Lagerung hochradioaktiver Abfälle gibt es augenscheinlich keine sinkende Zahl dieser gefährlichen Frachten. Mehrfach pro Woche finden weiterhin Transporte radioaktiver Stoffe durch Hamburg statt.

Haben vorletztes Jahre mindestens rund 175 Atomtransporte stattgefunden, so sind bis Anfang Dezember 2017 schon wieder rund 150 durch die Stadt gegangen. Uranoxide, das extrem giftige und ätzende Uranhexafluorid, unbestrahlte (neue) Brennelemente oder andere Produkte im Zusammenhang mit der Nutzung der Atomtechnologie werden weiterhin im Hamburger Hafen umgeschlagen und/oder durch das Hamburger Stadtgebiet transportiert.

Dabei ist die Anzahl der festgestellten sicherheitsrelevanten Mängel glücklicherweise von rund 80 in 2016 rapide wieder auf das Maß der Vorjahre zurückgegangen, zum größten Teil waren es erneut falsch deklarierte Zinnschlacken. Dies mag der vom Senat in Drs. 21/9289 geschilderten Einschätzung geschuldet sein, nach einem Anstieg der Fallzahlen durch eine Intensivierung der Kontrollen der WSP im Bereich der Ladungssicherung gebe es zunächst steigende Fallzahlen bei festgestellten Mängeln, im weiteren Verlauf durch sorgfältigere Deklaration der Güter durch die Versender seien aber Reduzierung der Beanstandungen zu erwarten.

Auf die Ankündigung im rot-grünen Koalitionsvertrag 2015 hin, auf freiwilligen Verzicht von Atomfrachtbehandlung durch die Hafenwirtschaft zu setzen, ist weiterhin festzustellen, dass die zuständige Behörde BWVI bisher nur mit wenigen Umschlagsunternehmen sowie Reedereien das Thema Selbstverzicht auf Atomtransporte beziehungsweise -umschlag besprochen hat. Zu den Ergebnissen gibt der Senat weiterhin keine Antwort.

Zwar gibt der Senat nach § 1 der Verschlusssachenanweisung für die Behörden der Freien und Hansestadt Hamburg (HmbVSA) vom 1. Dezember 1982 im Voraus keine Auskunft zu Kernbrennstofftransporten, da Informationen über zukünftige Kernbrennstofftransporte aus Sicherheitsgründen bundesweit als „Verschlusssache/nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft sind, aber wenigstens Angaben zu bereits durchgeführten Transporten sind aus den seit Jahren immer wieder aus der Fraktion DIE LINKE gestellten diversen Anfragen, zuletzt der im Dezember 2017 beantworteten Drs. 21/11227, für die interessierte Öffentlichkeit ablesbar.

Um weiterhin möglichst vollständige Zahlen über Anzahl, Art und Umfang der Atomtransporte zumindest durch Hamburgs Hafen verfügbar zu machen, werden aus der Fraktion DIE LINKE hier zum nunmehr 30. Mal dem Senat umfassend Fragen zum Themenkomplex gestellt.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat,
bezogen auf Transporte von Kernbrennstoffen und sonstigen radioaktiven Stoffen in und aus dem Hamburger Hafen sowie durch das Hamburger Stadtgebiet ab dem 07.12.2017 bis zum Zeitpunkt der Bearbeitung dieser Schriftlichen Kleinen Anfrage:
(Bitte die Tabellen in den Anlagen 1 und 2 zu Drs. 21/11227 für alle Transporte entsprechend fortführen.)

1.    Wann erfolgten Transporte von Kernbrennstoffen und sonstigen radioaktiven Stoffen (bitte Datum des Eingangs beziehungsweise Ausgangs soweit vorhanden)?
2.    Um welche beförderten Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffe handelte es sich dabei jeweils?
3.    In welchem Umfang und welcher Menge sind Kernbrennstoffe und sonstige radioaktive Stoffe jeweils transportiert worden (bitte Angabe im passenden Maß)?
4.    Wie hoch war die jeweilige Aktivität der Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffe (bitte Angabe im passenden Maß)?
5.    Wie wurden die Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffe jeweils klassifiziert?
6.    Welche Art von Behältern wurde zum Transport der Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffe jeweils verwendet (bitte genaue Typen-Kennung der Behälter angeben)?
7.    Welche Beförderungsmittel (zum Beispiel Schiff, Bahn oder Lkw) wurden zum Transport der Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffe jeweils verwendet?
8.    Wo wurden die Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffe jeweils umgeladen?
9.    Wie lange wurden die Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffe jeweils gelagert?
10.    Wer war der jeweilige Absender (Firma mit Ortsangabe) der Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffe?
11.    Wer war der jeweilige Empfänger (Firma mit Ortsangabe) der Kernbrennstoffe und welcher (bei sonstigen radioaktiven Stoffe) der Zielhafen?

Die Angaben zu den meldepflichtigen Kernbrennstofftransporten für den Zeitraum vom 07. Dezember 2017 bis zum 18. März 2018 sind in der Anlage 1 dargestellt (zur Legende siehe Anlage 5).

Daten über die im Gefahrgut-Informations-System der Polizei (GEGIS) gemeldeten Transporte liegen nur für die jeweils letzten drei Monate vor. Die Transportvorgänge mit sonstigen radioaktiven Stoffen für den Zeitraum vom 16. Dezember 2017 bis zum 18. März 2018 sind in Anlage 2 zusammengefasst. Die Dauer des Umschlags sowie die Namen und Adressen der Absender und der Empfänger werden in GEGIS nicht erfasst.

Außer den auf Grund der GEGIS-Anmeldungen vorliegenden Daten über Gefahrgut-Transporte beinhaltet die Anlage 2 zusätzlich zwei Transporte sonstiger radioaktiver Stoffe auf Seeschiffen, die auf Grund von Kontrollen am 9. Dezember 2017 beziehungsweise am 10. Dezember 2017 dokumentiert sind, Mängel wurden in diesem Zusammenhang nicht festgestellt.

Die Anlage 2 enthält darüber hinaus Transporte von sogenannten Zinnschlacken, die als sonstige radioaktive Stoffe (Klasse 7/UN2912) nunmehr wiederholt regelkonform befördert worden sind. Hier zeigen die Kontrollmaßnahmen der Wasserschutzpolizei Wirkung.


12.    Zuletzt in der Drs. 21/11227 gab der Senat Überblick über Mängel bei der Kontrolle von Güterbeförderungseinheiten (CTU) im Zusammenhang unter anderem mit radioaktiven Stoffen der Klasse 7 für Schiffe und Lkws bis zum Anfang Dezember.
Sind dem Senat für die Zeit danach solche bekannt?
Wenn ja, bitte mit Datum und möglichst konkreter Beschreibung der Mangelart, unter anderem wie in Anlage 3 zu Drs 21/11227, aufführen.
In der Drs. 20/13644 führt der Senat aus, Umschlag von mit Luftfracht transportierten Kernbrennstoffen habe es in Hamburg seit vielen Jahren nicht gegeben. Über den Transport von sonstigen radioaktiven Stoffen per Luftfracht lägen dem Senat keine Informationen vor, da die Zuständigkeit für die Aufsicht für diesen Transportweg beim Luftfahrtbundesamt liegt. In der Drs. 20/14621 führt der Senat aus, die Zuständigkeit für die Aufsicht über Transporte radioaktiver Stoffe auf bundeseigenen Eisenbahnstrecken liege beim Eisenbahnbundesamt. Vor diesem Hintergrund fragen wir, ob dem Senat über den Schifftransport hinaus auch Beanstandungen bei anderen Transportarten bekannt sind?
Wenn ja, bitte möglichst in der Tabelle mit angeben.

Daten über die bei Kontrollen festgestellten Mängel im Zusammenhang mit dem Transport radioaktiver Güter für den Zeitraum vom 7. Dezember 2017 bis zum 18. März 2018 sind in der Anlage 3 zusammengestellt.

In diesem Zeitraum wurden durch die Polizei 188 Kontrollen im Zusammenhang mit dem Transport radioaktiver Güter auf Schiffen, auf der Straße und im Schienenverkehr durchgeführt. Davon verliefen 152 Kontrollen ohne Beanstandungen, 36 Kontrollen im Zusammenhang mit dem Verkehrsträger Schiff führten zu 36 Mängeln formaler und fünf Mängeln sicherheitsrelevanter Art (fehlendes Anbringen des Versandstücktyps an der Außenseite des Containers). Im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr und dem Schienenverkehr wurde kein Mangel im Zuständigkeitsbereich der Polizei Hamburg festgestellt.


13.    Sechs Hafenbetriebe hatten laut Drs. 21/5719 im August 2016 eine Umschlaggenehmigung nach § 7 StrlSchV. Dies hatte sich bis zur Drs. 21/1224 aus dem letzten August nicht verändert.
a.    Gab es danach Veränderungen?

Nein.


b.    Welche von den derzeitig gültigen läuft gegebenenfalls in diesem Jahr aus? Um welche/n Betrieb/e handelt es sich?
Hat der Betrieb/haben die Betriebe erneut eine verlangt beziehungsweise erhalten?

Die Genehmigung HH-RA 17/03 (HHLA Containerterminal Burchardkai GmbH) ist bis zum 31. Mai 2018 und die Genehmigung HH-RA 37/98 (HHLA Container Terminal Tollerort GmbH) ist bis zum 30. September 2018 befristet.

Es wurden keine neuen Genehmigungen verlangt bzw. erteilt.


Bezogen auf zukünftige Transporte von Kernbrennstoffen und sonstigen radioaktiven Stoffen in und aus dem Hafen Hamburg sowie durch das Hamburger Stadtgebiet fragen wir, soweit Meldungen vorliegen:

14.    Hat es seit Anfang Dezember bei der hamburgischen Genehmigungsbehörde (Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz) weitere Antragstellungen/Genehmigungen auf Zulassung zur Beförderung „sonstiger radioaktiver Stoffe“ gegeben?
Wenn ja, bitte die Unternehmen auflisten.

Nein.


15.    Wie viele und welche gültigen Genehmigungen für den Transport radioaktiver Stoffe liegen der Umweltbehörde derzeit vor? Bitte auflisten mit Genehmigungsnummer, Beginn und Ende der Genehmigungsdauer, maximal zulässiger Transportzahl und Menge (in Kilogramm oder Tonnen), Absender und Empfänger, Transportmittel und Art des Stoffes sowie der Behälterbezeichnung.

In der Anlage 4 (zur Legende siehe Anlage 5) sind die zum Zeitpunkt dieser Anfrage, der zuständigen Behörde vorliegenden Genehmigungen für Kernbrennstofftransporte aufgelistet. Weitere Angaben werden nicht erfasst. Im Übrigen wird auf die vom Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit regelmäßig aktualisierte Liste aller gültigen Transportgenehmigungen verwiesen:     www.bfe.bund.de/SharedDocs/Downloads/BfE/DE/fachinfo/ne/transportgenehmigungen.html.


16.    Aus diversen Drucksachen zum Thema, zuletzt Drs. 21/11227, geht hervor, dass die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) seit Beginn der Legislaturperiode im Frühjahr 2015 bis Juni nur mit Vertretern von vier Umschlagsunternehmen sowie Reedereien das Thema Selbstverzicht auf Atomtransporte beziehungsweise -umschlag besprochen habe und senatsseitig „der Prozess“ weiterhin auch „nicht abgeschlossen“ sei.
Sind die senatsseitigen Überlegungen mittlerweile beendet worden?
Wenn ja,
a.    bis wann will der Hamburger Senat die „freiwillige Selbstbeschränkung" für Atomtransporte auf den Weg bringen?
b.    werden zumindest bei den öffentlichen Hafenbetrieben entsprechende Verbotsregelungen getroffen?
Wenn nein, welche Restriktionen sieht der Senat betreffend der Umsetzung des Willens der ihn tragenden Fraktionen aus dem Koalitionsvertrag von 2015?
17.    Auf die Frage, ob weitere Gespräche zu freiwilligem Selbstverzicht stattgefunden beziehungsweise Termine vereinbart sind, antwortete der Senat in Drs. 21/11227, „die zuständige Behörde befindet sich im kontinuierlichen Austausch mit der Hafenwirtschaft. Es sind weitere Termine vorgesehen. Aus Vertraulichkeitsgründen können die Gesprächspartnerinnen und -partner nicht genannt werden.“
Fanden diese Termine mittlerweile statt?
Wenn nein, warum nicht?

Es haben weitere Gespräche stattgefunden. Im Übrigen ist der Prozess noch nicht abgeschlossen.

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