SKA: Was ist los im Bezirksamt Mitte? Gibt es Schikanen gegen Hamburgs größten Tierschutzverein, den HTV?

Stephan Jersch

Allem Anschein nach wird der Hamburger Tierschutzverein seit einiger Zeit vom zuständigen Veterinäramt unter obskuren Vorwänden drangsaliert. Die Senatsantwort räumt diesen Verdacht nicht aus.

22. Februar 2019

 Schriftliche Kleine Anfrage

des Abgeordneten Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 14.02.2019
und Antwort des Senats
- Drucksache 21/16236 -


Betr.:      Was ist los im Bezirksamt Mitte? Gibt es Schikanen gegen Hamburgs größten Tierschutzverein, den HTV?

Der Hamburger Tierschutzverein von 1841 e.V. (HTV) hat sich Ende Januar mit einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit gewandt und auf einen aktuellen Ermittlungsfall des Veterinäramtes des Bezirks Hamburg-Mitte gegen ihn hingewiesen. In diesem Verfahren geht das Bezirksamt mit anscheinend sonst ungewohnter Härte nicht kooperativ, sondern konfrontativ vor. Gleichzeitig macht der HTV nun publik, dass das Veterinäramt des Bezirks Mitte dieses konfrontative Vorgehen gegen den HTV bereits mehrere Jahre betreibt.
Der HTV ist für Hamburg und den Tierschutz eine wichtige Institution, deren Bedeutung nicht nur durch die mehr als 5.000 Mitglieder, 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und eine Bezuschussung durch die FHH für die Übernahme von Aufgaben, wie die Unterbringung von Fund- und Sozialtieren, anerkannt wird. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

1.   Warum ermittelt aktuell das Bezirksamt Hamburg-Mitte, hier das zuständige Veterinäramt, konkret gegen den HTV? Bitte gegebenenfalls im Detail auflisten.

Das Bezirksamt Hamburg-Mitte hat einen gesetzlichen Auftrag zur Durchführung des Tierschutzgesetzes (TierSchG), des Tiergesundheitsgesetzes (TierGesG) und des Hamburgischen Gesetzes über das Halten und Führen von Hunden (HundeG) und somit auch zur Ermittlung von Amts wegen. Wie sich auch aus den weiteren Antworten ergibt, prüft das Bezirksamt Hamburg-Mitte derzeit die Umstände von unerklärlichen Todesfällen amtlich sichergestellter Tiere, die pflegerische, medizinische und hygienische Versorgung der Tiere, die Umstände von Tiertransporten aus dem Ausland und die Einhaltung der Auflagen in der tierschutzrechtlichen Genehmigung. Aufgrund der andauernden Verfahren und der noch nicht abgeschlossenen Feststellungen kann der Senat die Frage nach konkreten Ermittlungsdetails nicht beantworten.

 

2.    Hat das Veterinäramt Hinweise von Dritten auf Missstände im Tierheim erhalten, denen es nachgeht?

Ja. Im Übrigen siehe Antwort zu 1.

a. Wenn ja: Waren diese Hinweise anonym oder namentlich?

Die Hinweise waren sowohl anonym als auch namentlich.

b. Was hat das Veterinäramt Mitte unternommen, um diese Hinweise mit Unterstützung des HTV aufzuklären?

Das Bezirksamt Hamburg-Mitte hat im Rahmen der Ermittlungen soweit möglich den HTV einbezogen.

c. Was hat das Veterinäramt Mitte unternommen, um die Seriosität des/der Hinweisgeber/s zu überprüfen?

Die Hinweise auf Tierschutzverstöße werden unabhängig von Personen inhaltlich auf Plausibilität und damit auf Seriosität geprüft.

d.    Gibt es private Kontakte der aufsichtsführenden Veterinärinnen zu den Hinweisgebern?

Nein.

 

3.    Trifft es zu, dass das Veterinäramt Hamburg-Mitte den HTV trotz ausdrücklicher Nachfrage nicht über die konkreten Vorwürfe informiert hat?

Nein.

a. Wenn ja: Warum wurde der Tierschutzverein nicht umfassend informiert?

Entfällt.

b.    Wenn nein: Welche Informationen über welche Vorwürfe hat der HTV wann vom Bezirksamt Mitte erhalten?

Am 10. Januar 2019 wurde die Tierheimleiterin darüber informiert, dass es in den letzten Monaten im Tierheim zu unerklärlichen Todesfällen von amtlich sichergestellten Tieren gekommen sei, die die Überprüfung der Haltungsumstände im HTV erforderlich erscheinen lassen.
Am 30. Januar 2019 wurde der HTV anlässlich einer Vor-Ort-Kontrolle darüber informiert, dass sechs EU-Heimtierausweise fehlerhaft ausgestellt worden waren.

 

4.    In der Pressemitteilung des HTV vom 4. Februar 2019 wird das Veterinäramt Mitte wie folgt zitiert: „Da derzeit weder abschließend geklärt ist, welche und wie viele Verstöße vorliegen, noch wer ggf. der Verursacher ist, wurden bisher weder Verwaltungs- noch Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet.“
a. Trifft es zu, dass die Mitarbeiter/innen des Tierheims, die im Bezirksamt Mitte befragt wurden, darauf hingewiesen wurden, dass sie gegenüber dem Veterinäramt als Zeugen aussagen müssen?

Ja.

b.    Auf welcher Rechtsgrundlage finden Befragungen von Tierheim-Mitarbeiter/innen statt, wenn bisher gar kein Verfahren eingeleitet wurde?

Es gibt laufende Ermittlungsverfahren. Die Rechtsgrundlagen der Befragungen sind §§ 24 und 26 Hamburgisches Verwaltungsverfahrensgesetz (HmbVwVfG), § 16 TierSchG, § 24 TierGesG und § 46 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) i.V.m. § 48 Strafprozeßordnung (StPO).

 

5.    Trifft es zu, dass das Veterinäramt Mitte am 30. Januar 2019 Impfausweise im Tierheim beschlagnahmt hat?

Nein. Sechs Heimtierausweise nach der Verordnung (EU) Nr. 576/2013 wurden gemäß § 46 OWiG i.V.m. § 94 StPO sichergestellt.

a. Wenn ja: Wie viele?
b. Gab es einen richterlichen Beschluss zur Beschlagnahme der Impfpässe?
    i.    Wenn nein: Welche Gründe gab es für einen Eilvollzug?
   ii.    Wenn ja: Welche? Wurden diese dargelegt?

Es handelte sich nicht um eine Beschlagnahme, sondern um eine Sicherstellung der Impfstoffe im Verwaltungsverfahren.

c.    Warum hat sich das Veterinäramt Mitte keine Kopien der Impfausweise gemacht oder aushändigen lassen?

Für eine Dokumentenprüfung sind die Originaldokumente erforderlich.

 

6.   Das Veterinäramt soll aufgrund eines Formfehlers (falsches Erstellungsdatum) die Impfausweise von sechs Hunden komplett für ungültig erklärt haben. Trifft dies zu? Wenn ja: Auf welcher Rechtsgrundlage?

Ein Heimtierausweis, der die nach VO (EU) Nr. 576/2013 vorgegebenen Bedingungen nicht erfüllt, ist ungültig. Die Art des Fehlers ist dabei unerheblich.

 

7.    Die Tierärztin, die die Impfausweise ausgestellt hat, soll den Datums-Fehler schriftlich eingeräumt und die Richtigkeit der eingetragenen Impfungen bestätigt haben. Dieses Dokument soll auch die für sie zuständige Veterinärbehörde bestätigt haben.
a.    Liegen dem Bezirksamt Mitte diese Bescheinigungen (sog. Statement-2-Dokument) vor?

Dem Bezirksamt HH-Mitte wurden am 13. Februar per E-Mail Ablichtungen neuer Erklärungen der praktizierenden Tierärztin und des Amtstierarztes aus Rumänien übersandt.

b. Zweifelt das Veterinäramt Hamburg-Mitte die Echtheit dieser Dokumente an?

Das Bezirksamt Hamburg-Mitte geht derzeit davon aus, dass die E-Mail authentische Dokumente abbildet.
Ob die unter 7.a genannten Dokumentenablichtungen die fehlerhaften Heimtierausweise heilen und wie gültige Ausweise dauerhaft hergestellt werden können, wird derzeit noch geprüft.

i.    Wenn nein: Warum erkennt das Veterinäramt diese Dokumente und damit die Impfausweise nicht an?

Entfällt.

 

8.    Wann wurde der Bezirksamtsleiter in Hamburg-Mitte über die Vorgänge bzw. Vorwürfe seines Veterinäramtes gegen den HTV in welchem Umfang informiert?
a. Hat sich der Bezirksamtsleiter aus Hamburg-Mitte in die Vorgänge aktiv eingeschaltet?

Der Bezirksamtsleiter wurde per E-Mail vom 14. Dezember 2018 über die neuen Mängelanzeigen und das geplante Vorgehen informiert.

i. Wenn ja: Mit welchem Ziel?

Der Bezirksamtsleiter hat sich wiederholt informieren lassen und vom ordnungsgemäßen Vorgehen der Verwaltung überzeugt.

ii. Wenn nein: Warum nicht?

Entfällt.

b. Trifft es zu, dass der Bezirksamtsleiter bereits im Frühjahr 2018 wegen einer ähnlichen Beschlagnahmeaktion vom Rechtsanwalt des HTV mehrfach angeschrieben und um korrigierendes Einschreiten und Deeskalation gebeten worden ist?

Ja.

c.    Wurden Konsequenzen aus dem damaligen Vorgang gezogen? Wenn ja: Welche? Wenn nein: Warum nicht?

Das Bezirksamt Hamburg-Mitte ist zur Durchführung seiner gesetzlichen Aufgaben verpflichtet und in der Garantenstellung. Diese Aufgaben wurden und werden konsequent wahrgenommen.
Im Übrigen siehe Antwort zu 1.

 

9.    Auf welche Erkenntnisse stützt der Bezirksamtsleiter des Bezirksamtes Mitte seine Behauptung in einem Interview der Hamburger Morgenpost vom 11.02.2019, dass der Tierarzt des HTV nichts von seiner stellvertretenden Funktion nach §11 des Tierschutzgesetzes wusste? Aus welchem Grund wurde diese Behauptung aufgestellt?

Der Bezirksamtsleiter stützte die Erkenntnisse auf die Aussage der betreffenden Person.

 

10.    Wie oft wurden tierschutzrelevante Einrichtungen in Hamburg durch die aufsichtsführenden Amtsveterinäre in den Jahren 2010 bis 2019 kontrolliert? Bitte für folgende Einrichtungen einzeln und nach Jahren auflisten:
•    Tierheim Süderstraße
•    Franziskustierheim
•    Tierpensionen / Tagesstätten für Tiere
•    Hagenbecks Tierpark
•    Tierversuchseinrichtungen
•    Tierhaltende Landwirte / Schweinemastbetrieb
•    Tierzüchter
•    Zootierhandlungen mit Tierbestand
•    Wildpark Klövensteen

Siehe Anlage.

 

11.    Stimmt es, dass im vergangenen Jahr die Qualifikation der heutigen Tierheimleiterin durch das Bezirksamt Mitte infrage gestellt wurde? Wurden dabei bundesweit übliche Maßstäbe angewandt?
Der Nachweis der Qualifikation der Tierheimleitung wurde bei jeder Änderung der tierschutz-rechtlichen Erlaubnis geprüft, so auch für den Erlaubnisbescheid vom 06. August 2018. Dabei werden bundesweit übliche Maßstäbe angewandt.

a. Wollte die Amtsveterinärin Dr. M. persönlich die Fachkunde der Tierheimleiterin überprüfen?

Nein.

b.    Wie endete dieses Begehren des Bezirksamtes Mitte?

Die beantragte Erlaubnis nach § 11 TierSchG konnte nach Prüfung aller im Verfahren auch für die Qualifikation der Tierheimleitung schließlich vorgelegten Dokumente erteilt werden.

 

12.    Stimmt es, dass von einer Amtsveterinärin des Bezirks Mitte im Jahr 2017 Strafanzeige gegen den HTV gestellt wurde?

Nein. Dem Bezirksamt Hamburg-Mitte ist aber bekannt, dass die Polizei im Jahr 2017 ein Strafermittlungsverfahren gegen den HTV veranlasst hat.

Wenn ja:
a.    Welcher Sachverhalt lag der Strafanzeige zugrunde?
b.    Wurde die Erstattung der Strafanzeige von Bezirksamtsleiter des Bezirksamtes Mitte gebilligt?
c.    Gegen wen richtete sich die Strafanzeige?
d.    Wie ist das Verfahren ausgegangen?

Entfällt.

 

13.    Stimmt es, dass im Jahr 2018 die BGV die Sachverhalte „zusätzliche Quarantäne-/Isolationsplätze für Hunde und Katzen“ und „Vogelgrippeprophylaxe auf dem Gelände des HTV“ zur Bearbeitung übernommen hat?

Ja.

Wenn ja:
a. Warum?

Das Thema „zusätzliche Quarantäne-/Isolationsplätze für Hunde und Katzen“ ist Bestandteil des Vertrages zwischen der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV) und HTV und gehört damit originär in die Zuständigkeit der BGV.
Das Thema „Vogelgrippeprophylaxe auf dem Gelände des HTV“ und die damit verbundenen Maßnahmen liegen grundsätzlich in der Eigenverantwortung des HTV und sind durch diesen selbst vorzunehmen. Die BGV hat die Konzeptgestaltung fachlich begleitet und wird die Umsetzung der Maßnahmen im Rahmen des Vertrages finanziell unterstützen.
 
b. Wie wurde die Bearbeitung mit dem HTV gestaltet?

Die Maßnahmen wurden zwischen der Fachebene der BGV und der Tierheimleitung sowie der Vorsitzenden des HTV beraten.

c. Konnten die Sachverhalte einer Regelung zugeführt werden?

Die Sachverhalte sind noch nicht abschließend geregelt, da die Finalisierung der Vertragsanpassungen noch aussteht.

d.    War diese Regelung obrigkeitlich oder einvernehmlich?

Die Regelung wurde auf der Grundlage von Gesprächen getroffen.

 

14.    Wie beurteilt die BGV als Vertragspartner insgesamt die Zusammenarbeit mit dem HTV seit 2012?

Mit dem Vertrag ist der HTV verpflichtet, in seinen Einrichtungen im Tierheim Tiere aufzunehmen und zu versorgen, die auf Veranlassung der Freien und Hansestadt Hamburg aus bestimmten Gründen unterzubringen oder vorübergehend festzuhalten sind. Den vertraglichen Pflichten kommt der HTV nach.

 

15.    Wie viele Verwaltungsverfahren wurden vom Bezirk Mitte im Rahmen der Aufsicht in 2017 und 2018 gegen den HTV angestrengt? Bitte aufführen wie viele Verfahren abgeschlossen oder noch offen sind, mit welchem Ergebnis sie abgeschlossen wurden bzw. warum sie noch offen sind.

Das Bezirksamt Hamburg-Mitte hat entsprechend seines gesetzlichen Überwachungsauftrags ein Verwaltungsverfahren hinsichtlich der Bestimmungen des TierSchG und eines hinsichtlich der Bestimmungen des TierGesG durchgeführt. Hierzu wurde zu verschiedenen Sachverhalten ermittelt. Neben einem Erlaubnisbescheid gemäß § 11 TierSchG sind auf den genannten Rechtsgebieten in den Jahren 2017 und 2018 insgesamt vier weitere Bescheide ergangen, von denen in zwei Fällen noch Rechtsbehelfsverfahren zu entscheiden sind. Ein Bescheid ist durch Abhilfe des Widerspruchs und ein Bescheid durch Abhilfe des Betreibers erledigt.