SKA: Atomtransporte durch Hamburg (VI)

Stephan Jersch

Hamburgs Hafen bleibt nach seiner im Mai 2014 in der Bürgerschaft abgelehnten Teilentwidmung für Atomtransporte (vergleiche Drs. 20/11317) weiterhin ein Drehkreuz – unter anderem zur Versorgung der AKWs – im internationalen Atomgeschäft. Der Senat teilte auch in der letzten Drucksache zum Thema (21/4565) mit, dass nach rechtlicher Prüfung von Hamburger Seite keine Möglichkeit besteht, Transporte von radioaktiven Stoffen generell zu untersagen.

BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG
21. Wahlperiode

Drucksache 21/5719 | 2. September 2016

Schriftliche Kleine Anfrage

der Abgeordneten Norbert Hackbusch und Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 25.08.16 und Antwort des Senats

Betr.:
Atomtransporte durch Hamburg (VI)

Hamburgs Hafen bleibt nach seiner im Mai 2014 in der Bürgerschaft abgelehnten Teilentwidmung für Atomtransporte (vergleiche Drs. 20/11317) weiterhin ein Drehkreuz – unter anderem zur Versorgung der AKWs – im internationalen Atomgeschäft. Der Senat teilte auch in der letzten Drucksache zum Thema (21/4565) mit, dass nach rechtlicher Prüfung von Hamburger Seite keine Möglichkeit besteht, Transporte von radioaktiven Stoffen generell zu untersagen.

Über die Ankündigung im Koalitionsvertrag des sogenannten rot-grünen Senates hinaus, auf freiwilligen Verzicht von Atomfrachtbehandlung durch die Hafenwirtschaft zu setzen, hat der Senat bisher nur ausgeführt, dass die zuständige Behörde noch Kontakt mit Hafenunternehmen bezüglich des freiwilligen Verzichts auf den seeseitigen Transport und Umschlag von atomaren Stoffen aufnehmen wird. Dies wurde später (vergleiche Drs. 21/4565) als „mittelfristig“, scheint es, auf den St. Nimmerleinstag verschoben.

Trotz Stilllegungen deutscher Atomkraftwerke nach der Katastrophe von 2011 im japanischen Fukushima gibt es absehbar also wohl keine sinkende Zahl dieser gefährlichen Frachten. Mehrfach pro Woche finden weiterhin Transporte radioaktiver Stoffe durch Hamburg statt. Haben letztes Jahr schon wieder mindestens rund 160 Transporte stattgefunden, darunter unter anderem zwei Transporte mit Mischoxidbrennelementen (MOX), so sind dieses Jahr schon wieder mehr als 80 durch die Stadt gegangen. Uranoxide, das extrem giftige und ätzende Uranhexafluorid, unbestrahlte (neue) Brennelemente oder andere Produkte im Zusammenhang mit der Nutzung der Atomtechnologie werden im Hamburger Hafen umgeschlagen und/oder durch das Hamburger Stadtgebiet transportiert.

Zwar gibt der Senat nach § 1 der Verschlusssachenanweisung für die Behörden der Freien und Hansestadt Hamburg (HmbVSA) vom 1. Dezember 1982 im Voraus keine Auskunft zu Kernbrennstofftransporten, da Informationen über zukünftige Kernbrennstofftransporte aus Sicherheitsgründen bundesweit als „Verschlusssache/nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft sind, aber wenigstens Angaben zu bereits durchgeführten Transporten sind aus den seit Jahren immer wieder aus der Fraktion DIE LINKE gestellten diversen Anfragen, zuletzt der Drs. 21/4565 im Mai, für die interessierte Öffentlichkeit ablesbar.

Die Vorgänge im Hafen und auf der Elbe werden laufend von Anti-Atom-Aktivisten/-innen beobachtet. Um allerdings weiterhin möglichst vollständige Zahlen über Anzahl, Art und Umfang der Atomtransporte zumindest durch Hamburgs Hafen verfügbar zu machen, werden aus der Fraktion DIE LINKE hier zum 24. Mal dem Senat umfassend Fragen zum Themenkomplex gestellt.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat,

bezogen auf Transporte von Kernbrennstoffen und sonstigen radioaktiven Stoffen in und aus dem Hamburger Hafen sowie durch das Hamburger Stadtgebiet ab dem 25.05.2016 bis zum Zeitpunkt der Bearbeitung dieser Schriftlichen Kleinen Anfrage:
(Bitte die Tabellen in den Anlagen 1 und 2 zur Drs. 21/4565 für alle Transporte entsprechend fortführen, das heißt die Antworten auf die Fragen 1. bis 11. tabellarisch auflisten und nach Datum sortieren.)

1. Wann erfolgten Transporte von Kernbrennstoffen und sonstigen radioaktiven Stoffen (bitte Datum des Eingangs beziehungsweise Ausgangs soweit vorhanden)

2. Um welche beförderten Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffe handelte es sich dabei jeweils?

3. In welchem Umfang und welcher Menge sind Kernbrennstoffe und sonstige radioaktive Stoffe jeweils transportiert worden (bitte Angabe im passenden Maß)?

4. Wie hoch war die jeweilige Aktivität der Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffe (bitte Angabe im passenden Maß)?

5. Wie wurden die Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffe jeweils klassifiziert?

6. Welche Art von Behältern wurde zum Transport der Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffe jeweils verwendet (bitte genaue Typen-Kennung der Behälter angeben)?

7. Welche Beförderungsmittel (zum Beispiel Schiff, Bahn oder Lkw) wurden zum Transport der Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffe jeweils verwendet?

8. Wo wurden die Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffe jeweils umgeladen?

9. Wie lange wurden die Kernbrennstoffe und sonstigen radioaktiven Stoffe jeweils gelagert?

10. Wer war der jeweilige Absender (Firma mit Ortsangabe) der Kernbrennstoffe?

11. Wer war der jeweilige Empfänger (Firma mit Ortsangabe) der Kernbrennstoffe und welcher (bei sonstigen radioaktiven Stoffe) der Zielhafen?

Die Angaben zu den meldepflichtigen Kernbrennstofftransporten für den Zeitraum vom 25. Mai 2016 bis zum 29. August 2016 sind in der Anlage 1 zusammengestellt (zur Legende siehe Anlage 6).

Daten über die im Gefahrgut-Informations-System der Polizei (GEGIS) gemeldeten Transporte liegen nur für die jeweils letzten drei Monate vor. Die Transportvorgänge mit sonstigen radioaktiven Stoffen für den Zeitraum vom 25. Mai 2016 bis zum 29. August 2016 sind in Anlage 2 zusammengefasst. Die Dauer des Umschlags sowie die Namen und Adressen der Absender und der Empfänger werden im Gefahrgut-Informations-System GEGIS nicht erfasst.

Darüber hinaus hat die Wasserschutzpolizei bei Kontrollen Sendungen von sogenannten Zinnschlacken in Containern mit Löschhafen Hamburg festgestellt, bei denen es sich aufgrund der überschrittenen Klassifizierungsgrenzwerte bereits um gefährliche Güter der Klasse 7 im Sinne der Gefahrguttransportvorschriften handelt (sonstige radioaktive Stoffe, Klasse 7/UN2910). Die festgestellten Transporte erreichten den Hamburger Hafen vom Abgangsort, ohne als Gefahrgut deklariert zu sein. Aus diesem Grund sind zu diesen Transporten keine Daten im GEGIS eingetragen. Die Sendungen wurden unter Einhaltung aller gefahrgutrechtlichen Vorschriften zum Empfänger weiterbefördert. Diese sind in der Anlage 3 aufgeführt.

12. Aus interessierten Kreisen wurde mitgeteilt, vom 27.5. bis 20.6.2016 sei am Süd-West-Terminal der Fa. C. Steinweg Uranerzkonzentrat zwischengelagert gewesen. Ist es zutreffend, dass die wohl in der Nacht vom 26. zum 27.05.16 mit dem Schiff „Golden Karoo“ am Süd-West-Terminal abgeladene Fracht erst am 20.06.16 mit der Bahn abtransportiert wurde? Welche Menge wurde hier abgeladen und wann wurden die Container jeweils weiter transportiert?

Ja. Es wurden 22 Container mit einem Bruttogewicht von insgesamt 448.216,8 kg gelöscht; der Weitertransport erfolgte am 20. Juni 2016.

13. Trifft der in Frage 12. behauptete Vorgang zu, fragen wir nach dem Grund des Aufenthalts. Gab es Zwischenfälle oder Mängel an der radioaktiven Fracht? Was ist dem Senat ansonsten zu den Gründen des behaupteten Vorganges derzeit bekannt?

Der in Rede stehende Aufenthalt ist nach Kenntnisstand der Polizei durch Streiks und Unwetter in Frankreich begründet gewesen. Mängel wurden bei Kontrollen durch die Polizei nicht festgestellt.

14. Sollte die laut Informationen von Atomkraftgegnern am 20.06.16 mit dem Frachtschiff „Bright Sky“ angelieferte radioaktive Fracht ursprünglich mit dem noch gelagerten Uran zusammen transportiert werden?

Wenn ja, wann genau und welche Mengen wurden am Süd-West-Terminal hier angeliefert und wann weiter transportiert?

Nein.

15. Zuletzt in der Drs. 21/4565 gab der Senat Überblick über Mängel bei der Kontrolle von Güterbeförderungseinheiten (CTU) im Zusammenhang unter anderem mit radioaktiven Stoffen der Klasse 7 bis zum 24.05. für Schiffe und Lkw. Sind dem Senat für die Zeit danach solche bekannt?

Wenn ja, bitte mit Datum und möglichst konkreter Beschreibung der Mangelart u.a. wie in Anlage 3 zur Drs 21/2132 aufführen. In der Drs. 20/13644 führt der Senat aus, Umschlag von mit Luftfracht transportierten Kernbrennstoffen habe es in Hamburg seit vielen Jahren nicht gegeben. Über den Transport von sonstigen radioaktiven Stoffen per Luftfracht lägen dem Senat keine Informationen vor, da die Zuständigkeit für die Aufsicht für diesen Transportweg beim Luftfahrtbundesamt liegt. In der Drs. 20/14621 führt der Senat aus, die Zuständigkeit für die Aufsicht über Transporte radioaktiver Stoffe auf bundeseigenen Eisenbahnstrecken liege beim Eisenbahnbundesamt. Vor diesem Hintergrund fragen wir, ob dem Senat über den Schifftransport hinaus auch Beanstandungen bei anderen Transportarten (zum Beispiel Straße) bekannt sind.

Wenn ja, bitte in der Tabelle mit angeben.

Daten über bei Kontrollen festgestellte Mängel im Zusammenhang mit dem Transport radioaktiver Güter für den Zeitraum vom 25. Mai 2016 bis zum 29. August 2016 sind in der Anlage 4 zusammengestellt. In diesem Zeitraum wurden durch die Polizei 192 Kontrollen im Zusammenhang mit dem Transport radioaktiver Güter auf Schiffen, auf der Straße und im Schienenverkehr durchgeführt. Davon verliefen 149 Kontrollen ohne Beanstandungen, 43 Kontrollen im Zusammenhang mit dem Verkehrsträger Schiff führten zu 40 Beanstandungen von Mängeln formaler und zwölf zu Beanstandungen von Mängeln sicherheitsrelevanter Art. Im Zusammenhang mit dem Straßen- und Schienenverkehr im Zuständigkeitsbereich der Polizei Hamburg wurden keine Mängel festgestellt.

Die erhebliche Anzahl von als sicherheitsrelevant eingestuften Mängeln ist zu einem überwiegenden Teil auf die Beförderung von sogenannten Zinnschlacken zurückzuführen (neun von zwölf sicherheitsrelevanten Mängeln und neun von 40 formalen Mängeln); siehe auch Antwort zu 1. bis 11.

Bezogen auf zukünftige Transporte von Kernbrennstoffen und sonstigen radioaktiven Stoffen in und aus dem Hafen Hamburg sowie durch das Hamburger Stadtgebiet fragen wir soweit Meldungen vorliegen:

16. Nach Drs. 21/4565 dürften im August nur noch fünf Hafenbetriebe eine Umschlaggenehmigung nach § 7 StrlSchV haben, da die Genehmigung der EUROGATE Container Terminal Hamburg GmbH Ende Juli 2016 auslief. Hat der Betrieb mittlerweile erneut eine beantragt beziehungsweise erhalten?

Ja, die Genehmigung ist auf Antrag bis zum 31. Juli 2021 verlängert worden.

17. Hat es seit Ende Mai 2016 bei der hamburgischen Genehmigungsbehörde (Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz) weitere Antragstellungen/Genehmigungen auf Zulassung zur Beförderung „sonstiger radioaktiver Stoffe“ gegeben?

Wenn ja, bitte die Unternehmen auflisten.

Nein.

18. Wie viele und welche gültigen Genehmigungen für den Transport radioaktiver Stoffe liegen der Umweltbehörde derzeit vor? Bitte auflisten mit Genehmigungsnummer, Beginn und Ende der Genehmigungsdauer, maximal zulässiger Transportzahl und Menge (in Kilogramm oder Tonnen), Absender und Empfänger, Transportmittel und Art des Stoffes sowie der Behälterbezeichnung.

In der Anlage 5 (zur Legende siehe Anlage 6) sind die zum Zeitpunkt dieser Anfrage der zuständigen Behörde vorliegenden Genehmigungen für Kernbrennstofftransporte aufgelistet. Weitere Angaben werden nicht erfasst. Auf die vom Bundesamt für Strahlenschutz regelmäßig aktualisierte Liste aller gültigen Transportgenehmigungen wird verwiesen. (http://www.bfs.de/SharedDocs/Downloads/BfS/DE/fachinfo/ne/transportgenehmigungen.html).

19. In der Antwort auf die Drs. 21/3428 hat der Senat ausgeführt, dass die zuständige Behörde noch Kontakt mit Hafenunternehmen bezüglich des freiwilligen Verzichts auf den seeseitigen Transport und Umschlag von atomaren Stoffen aufnehmen wird. Drei weitere Monate später, in der Drs. 21/4565 wurde mitgeteilt, es finden mittelfristig Gespräche statt. Was bedeutet für den Senat in diesem Fall „mittelfristig“? Gibt es Ende August 2016 einen neuen Sachstand beziehungsweise sind Termine vereinbart?

Wenn ja, wann mit wem?

Die zuständige Behörde wird bis Ende des Jahres Gespräche mit allen Beteiligten führen.

20. In der Drs. 21/4565 gab der Senat an, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dem Normenkontrollverfahren wegen Bremens seit einigen Jahren für Atomtransporte gesperrten Hafens sei noch nicht ergangen. Was ist dem Senat zum Zeithorizont der Entscheidungsfindung bekannt und welche Auswirkungen für die Senatspolitik könnte ein Urteil haben, welches keine Normverstöße bei den bremischen Regelungen feststellen würde?

Der erfragte Zeithorizont der Entscheidungsfindung des Bundesverfassungsgerichts liegt außerhalb des Verantwortungsbereichs des Senats.

Im Übrigen hat sich der Senat hiermit nicht befasst.

 

Anlage 1 - Genehmigungspflichtige Kernbrennstoff-Transporte Hamburg 25.05.2016 - 29.08.2016

Anlage 2 - Transporte sonstiger radioaktiver Stoffe vom 25. Mai 2016 bis zum 29. August 2016

Anlage 3 - Transporte sonstiger radioaktiver Stoffe / Zinnschlacken bis zum 29. August 2016

Anlage 4 - Ergebnisse Kontrollen bis zum 29. August 2016

Anlage 5 - Gültige Genehmigungen Kernbrennstofftransporte; Stand 29. August 2016

Anlage 6 - Legende